Nasse Bühne und Füchse in Meidling
„Foxfinder“im Wiener Werk X: eine stimmig inszenierte Dystopie.
„Das Land ist ein Schlachtfeld zwischen den Naturgewalten und der Zivilisation“, predigt der Kontrollor. Er ist auf das Land gekommen, um den Stand der Schlacht zu prüfen, im Auftrag einer gnadenlosen Planwirtschaft. Die für erfolglose Bauern nur eine Aussicht hat: Sie verlieren ihr Land, müssen in „die Fabrik“, und dort ist die Lebenserwartung nicht hoch. Es ist eine klare, harte Dystopie, in die Dawn King in ihrem 2011 uraufgeführten Stück „Foxfinder“führt, aber sie hat ein Geheimnis: die Füchse. Sie verkörpern das Böse, die ungezähmte Natur. Auch aufsässige Menschen? Systemfeinde?
Niemand hat die Füchse gesehen. Sie sind draußen im Wald, im dunklen, nassen, unheimlichen Land, das Marie-Luise Lichtenthal mit genial einfachen Mitteln auf die Bühne gestellt hat: Es gruselt einen von Beginn an und am Ende erst recht. Das ärmliche Haus wird kaum angedeutet, Regisseurin Susanne Lietzow zeigt die meisten Requisiten nicht, lässt sie nur hören: Die Türen, durch die der Kontrollor und mit ihm der Schrecken des Systems ins Haus tritt, knarren und quietschen, doch man sieht sie nicht.
In diesem halb virtuellen Raum findet ein Kammerspiel des Totalitarismus statt, tief ernst vorgeführt von vier Akteuren, die sich auf Subtilität im Feinen und im Groben verstehen. Rafael Schuchter ist der Kontrollor, ein selbst vom System zugerichteter Landvermesser: Wenn er sich mit unsichtbarem Bleistift seine Notizen macht, die Bewohner über ihr Sexualleben ausfragt, spürt man, wie ihn seine Aufgabe erfüllt und zugleich verstört. Im Grunde ist er ein verängstigtes Kind, die Bäurin spürt das, das verstärkt nur ihren Schrecken: Martina Spitzer spielt ihre Versuche, die unerträgliche Situation erträglich zu machen, mit fein zerrissener Mimik. Ebenso virtuos: Maria Hofstätter als planlose Widerständlerin, Marc Fischer als bald aufbrausender, bald dumpf brütender Bauer, der schließlich selbst an die Füchse glaubt. Glauben will? Glauben muss? „Wenn es notwendig wäre, würde ich das Feld mit meinem Blut düngen“, sagt die Bäurin einmal. Ob sie’s tut? Ob sie nur im Schlamm liegt? Ob die Schlacht weitergeht? Diese dichte, auch rhythmisch stets stimmige Aufführung lässt einen so bald nicht los.