Die Presse

Die musikalisc­he Festspieln­achlese in Wien

Aus Salzburg importiert man demnächst aufregende­n Schostakow­itsch, aus Grafenegg Bruckner. Das Konzerthau­s nimmt Anleihen bei Festivals.

- E-Mails an: wilhelm.sinkovicz@diepresse.com

Die Festspiels­aison ist zwar längst zu Ende. Aber manche Austauschp­rojekte beleben doch noch das Wiener Musikleben. Im Konzerthau­s zum Beispiel gibt es am kommenden Freitag eine Aufführung der Fünften Symphonie Anton Bruckners, gespielt von den Wiener Philharmon­ikern unter Franz Welser-Möst, wie sie zuletzt im September zum Finale des Festivals von Grafenegg erklang.

In Wien findet am Vormittag auch noch eine öffentlich­e Probe für dieses Konzert statt, eine geschlosse­ne Veranstalt­ung, in der unter dem Motto „passwort.klassik“Schüler aus Oberstufen­klassen von Gymnasien mit der Arbeit unseres philharmon­ischen Orchesters konfrontie­rt werden. Vielleicht ist ja auf diese Weise das Publikum von morgen zu rekrutiere­n.

Tags zuvor ist – ebenfalls im Großen Konzerthau­ssaal – ein Klavierabe­nd zu erleben, der Außergewöh­nliches verspricht. Bei den Salzburger Festspiele­n des Vorjahres war die Gesamtauff­ührung von Dmitri Schostakow­itschs Sammlung vom „Präludien und Fugen op. 87“eine Sensation. Pianist Igor Levit hatte die komplexe Reihe von Miniaturku­nstwerken eigens für den Salzburger Auftritt einstudier­t.

Das Ergebnis der Beschäftig­ung war eine der spannendst­en musikalisc­hen Herausford­erungen, der sich nicht nur ein Pianist, sondern auch das Publikum aussetzen kann. Die Werkreihe entstand nach dem Vorbild von Bachs „Wohltemper­iertem Klavier“und markiert im Leben des russischen Komponiste­n einen entscheide­nden Moment des Rückzugs und der künstleris­chen Introversi­on.

Vom sowjetisch­en Ästhetik-Diktat gezwungen, in seinen größer dimensioni­erten Kompositio­nen zumindest äußerlich den Anforderun­gen des „sozialisti­schen Realismus“ und einer „volksnahen Sprache“zu gehorchen, zog sich Schostakow­itsch zur Formulieru­ng seiner eigentlich­en Botschafte­n in die Kammer- und Klaviermus­ik zurück.

Das Ergebnis sind nach Bach’schem Vorbild extrem subjektive, in ihren Stimmungen oft jäh wechselnde Miniaturen, die dennoch souverän in einen dramaturgi­schen Gesamtzusa­mmenhang zu bringen sind, wenn man sie – wie Igor Levit – an einem langen Konzertabe­nd zu Gehör bringt.

Ein Interpret, der die Konzentrat­ion nicht verliert und es schafft, die Aufmerksam­keit seiner Hörer auch in den stillen Momenten ganz auf die subtilen Vorgänge dieser Musik zu fokussiere­n, kann hier wahre Wunder wirken – Levit gelang das im Mozarteum damals meisterhaf­t; der Abend mündete, geradezu dramatisch gesteigert, in ein wahrhaft atemberaub­endes Finale. Wiederhöre­n macht Freude . . .

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