Die musikalische Festspielnachlese in Wien
Aus Salzburg importiert man demnächst aufregenden Schostakowitsch, aus Grafenegg Bruckner. Das Konzerthaus nimmt Anleihen bei Festivals.
Die Festspielsaison ist zwar längst zu Ende. Aber manche Austauschprojekte beleben doch noch das Wiener Musikleben. Im Konzerthaus zum Beispiel gibt es am kommenden Freitag eine Aufführung der Fünften Symphonie Anton Bruckners, gespielt von den Wiener Philharmonikern unter Franz Welser-Möst, wie sie zuletzt im September zum Finale des Festivals von Grafenegg erklang.
In Wien findet am Vormittag auch noch eine öffentliche Probe für dieses Konzert statt, eine geschlossene Veranstaltung, in der unter dem Motto „passwort.klassik“Schüler aus Oberstufenklassen von Gymnasien mit der Arbeit unseres philharmonischen Orchesters konfrontiert werden. Vielleicht ist ja auf diese Weise das Publikum von morgen zu rekrutieren.
Tags zuvor ist – ebenfalls im Großen Konzerthaussaal – ein Klavierabend zu erleben, der Außergewöhnliches verspricht. Bei den Salzburger Festspielen des Vorjahres war die Gesamtaufführung von Dmitri Schostakowitschs Sammlung vom „Präludien und Fugen op. 87“eine Sensation. Pianist Igor Levit hatte die komplexe Reihe von Miniaturkunstwerken eigens für den Salzburger Auftritt einstudiert.
Das Ergebnis der Beschäftigung war eine der spannendsten musikalischen Herausforderungen, der sich nicht nur ein Pianist, sondern auch das Publikum aussetzen kann. Die Werkreihe entstand nach dem Vorbild von Bachs „Wohltemperiertem Klavier“und markiert im Leben des russischen Komponisten einen entscheidenden Moment des Rückzugs und der künstlerischen Introversion.
Vom sowjetischen Ästhetik-Diktat gezwungen, in seinen größer dimensionierten Kompositionen zumindest äußerlich den Anforderungen des „sozialistischen Realismus“ und einer „volksnahen Sprache“zu gehorchen, zog sich Schostakowitsch zur Formulierung seiner eigentlichen Botschaften in die Kammer- und Klaviermusik zurück.
Das Ergebnis sind nach Bach’schem Vorbild extrem subjektive, in ihren Stimmungen oft jäh wechselnde Miniaturen, die dennoch souverän in einen dramaturgischen Gesamtzusammenhang zu bringen sind, wenn man sie – wie Igor Levit – an einem langen Konzertabend zu Gehör bringt.
Ein Interpret, der die Konzentration nicht verliert und es schafft, die Aufmerksamkeit seiner Hörer auch in den stillen Momenten ganz auf die subtilen Vorgänge dieser Musik zu fokussieren, kann hier wahre Wunder wirken – Levit gelang das im Mozarteum damals meisterhaft; der Abend mündete, geradezu dramatisch gesteigert, in ein wahrhaft atemberaubendes Finale. Wiederhören macht Freude . . .