Die Presse

Ein Bildungsra­um Europa ist das Ziel

Die Einrichtun­g von „Europäisch­en Universitä­ten“als Leuchtturm­projekte für gemeinsame­n Wissensrau­m.

- VON STEFAN ZOTTI Dr. Stefan Zotti ist Geschäftsf­ührer des Österr. Austauschd­iensts (OeAD) und Vizepräsid­ent des europäisch­en Dachverban­ds „Academic Cooperatio­n Associatio­n“.

Vier europäisch­e Universitä­ten finden sich 2018 unter den Top-10-Universitä­ten der Welt (Times Higher Education Ranking) – drei davon in Großbritan­nien, eine in der Schweiz. Die besten EU-Universitä­ten finden sich erst in den Top 30. Die EU verliert mit dem Brexit nicht nur ihre Weltklasse­Universitä­ten, sondern auch wissenscha­ftliche Exzellenz.

Die anlaufende­n Diskussion­en über „Europäisch­e Universitä­ten“sind in diesem Kontext als klares Bekenntnis zur Stärkung der akademisch­en hochwertig­en Ausbildung und damit auch der wirtschaft­lichen Wettbewerb­sfähigkeit Europas zu verstehen.

Emmanuel Macron, der in seiner Sorbonne-Rede im September 2017 die Idee der Europäisch­en Universitä­t ins Spiel brachte, verbindet mit dieser Institutio­n auch die Frage nach einer europäisch­en Identität und Kultur. Europäisch­e Universitä­ten sind für ihn „ein Netzwerk von Universitä­ten aus mehreren Ländern Europas (...) die einen Studienver­lauf schaffen, in dem jeder Studierend­e im Ausland studiert und Seminare in mindestens zwei Sprachen belegt“.

Die Idee der Europäisch­en Universitä­ten wurde im Dezember 2017 vom Europäisch­en Rat aufgenomme­n und findet sich auch im Vorschlag für das neue Erasmus-Programm ab 2021: Bis 2024 sollen rund 20 Europäisch­e Universitä­ten entstehen. Ende Oktober hat die Union 30 Millionen Euro zur Gründung der ersten sechs Netzwerke ab 2019 zur Verfügung gestellt.

Was aber ist das Europäisch­e an diesen neuen Universitä­ten? Klar ist: Es geht nicht um neue Institutio­nen, sondern um neue Arten der Zusammenar­beit in hoch integriert­en gemeinsame­n Studienang­eboten. Nun können diese Studienang­ebote selbst einen inhaltlich auf Europa bezogenen Schwerpunk­t haben – dies wird aber keine Grundvorau­ssetzung sein können. Es darf nicht darum gehen, ausschließ­lich neue European-Studies-Angebote zu fördern und bestehende exzellente Angebote (etwa eines College d’Europe) zu verdoppeln.

Das Neue der Europäisch­en Universitä­t wird in der Form der Zusammenar­beit und Durchlässi­gkeit liegen: Sie ist, im besten Sinne, selbst ein Pilotversu­ch, in dem der künftige europäisch­e Bildungsra­um bereits realisiert ist: Problemlos­e Anerkennun­g von Studienlei­stungen, ausdiffere­nziertes Studienang­ebot entspreche­nd den Stärken der einzelnen Universitä­ten und Hochschule­n, Mehrsprach­igkeit des Studienang­ebots und Internatio­nalität by Design. Die Europäisch­e Universitä­t muss das sein, was der Europäisch­e Bildungsra­um einst werden soll.

Daher wird es auch wichtig sein, den Zugang zu diesen Netzwerken nicht ausschließ­lich den bestehende­n Exzellenze­inrichtung­en vorzubehal­ten: Selbstvers­tändlich müssen alle beteiligte­n Institutio­nen mit exzellente­n Studienang­eboten dazu beitragen, der Europäisch­en Universitä­t selbst zu einem hervorrage­nden Studienang­ebot zu verhelfen. Dieses muss aber jedenfalls breit zugänglich sein und damit auch die akademisch­e europäisch­e Tradition abbilden, die Exzellenz und Breite, Lehre und Forschung, akademisch­en Auftrag und gesellscha­ftliche Verantwort­ung verbindet und nicht gegeneinan­der ausspielt.

Der Wissensrau­m Europa hat immer von seiner Offenheit gelebt. Das politische Bemühen um den Europäisch­en Bildungsra­um führt uns zurück in eine Freiheit, die unsere Universitä­ten lange Zeit hatten. Der Bildungsra­um Europa braucht neue Leuchtturm­projekte und Exzellenzi­nstitute, um weltweit sichtbar und wettbewerb­sfähig zu bleiben.

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