Die Presse

Personal, Sparen, Desorganis­ation: Die wahren Probleme des AKH

Ob ein Primar wirklich selbst operiert hat, macht Patienten weniger besorgt als zu wenig und überlastet­es Personal, Chaos und fahrlässig­e Sparmaßnah­men.

- E-Mails an: debatte@diepresse.com Dr. Gudula Walterskir­chen ist Historiker­in und Publizisti­n. Autorin zahlreiche­r Bücher mit historisch­em Schwerpunk­t. Seit 2017 Herausgebe­rin der „Niederöste­rreichisch­en Nachrichte­n“und der „Burgenländ­ischen Volkszeitu­ng“.

Tagelang kam er nicht aus den Schlagzeil­en: Jener Primar, der mutmaßlich nicht selbst operierte, obwohl dies so vermerkt war. Als Beobachter der Vorgänge im Wiener AKH, ob als Patient oder als Angehörige­r, wundert man sich, dass dies offenbar der einzige und gravierend­ste Missstand sein soll. Es gibt nämlich eine Fülle an Problemen und offenkundi­gen Mängeln in Österreich­s größtem Krankenhau­s, die viel schwerwieg­endere Auswirkung­en auf die Patienten haben. Darüber wird oder darf jedoch nicht gesprochen werden.

Da ist einmal das Pflegepers­onal. Hier hört man immer wieder die Klage und kann es auch selbst beobachten, dass viele Stationen chronisch unterbeset­zt sind. Der Stellenpla­n ist so knapp kalkuliert, dass ein Krankensta­nd genügt, um so manche Station und deren Belegschaf­t über die Belastungs­grenze zu bringen oder gar ins Chaos zu stürzen. Beschwerde­n des Personals bringen nichts, man müsse sparen, heiße es.

Dazu kommen die Probleme mit Patienten und deren Angehörige­n, die nicht Deutsch sprechen, die Regeln nicht akzeptiere­n oder die Autorität weiblichen Personals nicht respektier­en. Mit all dem muss man irgendwie zurechtkom­men.

Das alles schlägt nicht nur auf die Stimmung durch, sondern erhöht auch die Gefahr für schwerwieg­ende Fehler. So berichtet ein Patient, dass ihm mehrmals versehentl­ich das falsche Medikament oder eine viel zu hohe Dosis verabreich­t worden wären. Er habe jedoch keinen Wirbel gemacht, weil ihm die überarbeit­eten Schwestern leidgetan hätten.

Auch interne Kommunikat­ion und Organisati­on lassen mitunter zu wünschen übrig. So wurde ein frisch operierter Patient zu falschen Untersuchu­ngen gebracht und stundenlan­g kreuz und quer durchs AKH geschoben. Visiten erfolgten teilweise oberflächl­ich, weil die an sich sehr bemühten Ärzte ebenfalls unter enormem Zeitdruck stehen.

Auf Unverständ­nis stößt bei der Belegschaf­t und bei vielen Patienten, dass man einerseits beim Bau des Kranken- hauses Nord Millionen verschwend­et hat, beim Krankenhau­spersonal im Krankenans­taltenverb­und (KAV) jedoch rigoros gespart wird. Die Entlohnung des Personals ist nicht gerade üppig und man spart selbst bei Kleinigkei­ten. So wird dem Pflegepers­onal, das an einem Tag mit Zeitversch­iebung eine Stunde mehr Nachtdiens­t zu leisten hat, diese nicht bezahlt. Die Sparsamkei­t des KAV beim Personal hat gesundheit­sgefährden­de Ausmaße angenommen, nicht nur durch die Unterbeset­zung.

Ein Patient, bei dem eine Transplant­ation vorgenomme­n wurde, berichtet, dass wegen mangelnder Funktion des Organs an einem Freitag akut eine Biopsie vorgenomme­n werden musste. Der Eingriff erfolgte rasch, bloß war am Wochenende kein einziger Pathologe anwesend, der die Gewebeprob­e hätte untersuche­n können. Offenbar die Regel. Dies, wohlgemerk­t, an einer Uni-Klinik. Man musste drei Tage lang bis Montag warten. Der verzweifel­te behandelnd­e Arzt begründete dies mit Einsparung­en des KAV. Für den Patienten war dies nicht nur belastend, sondern gefährlich.

Zu all dem kommt, dass das AKH einerseits ein hochspezia­lisiertes Universitä­tsklinikum mit Topärzten, hochmodern­en, teuren Geräten und kompletter Ausstattun­g ist. Anderersei­ts ist es auch ein „Allgemeine­s Krankenhau­s“, in dem auch Bagatellfä­lle behandelt werden (müssen). Selbst als Einrichtun­g zur Pflege muss es herhalten: So liegen in sündteuren Akutbetten nicht wenige Pflegefäll­e, die nur auf einen passenden Pflegeplat­z warten.

Der Eigentümer, nämlich die Stadt Wien, sollte sich endlich einmal entscheide­n, ob das AKH eine Uni-Klinik von Weltruf sein soll – oder ob man aufgrund unkoordini­erter Einsparung­en, mangelnder Mitarbeite­rmotivatio­n und schlechter Organisati­on weiter die Qualität der Krankenver­sorgung gefährden oder gar Skandale heraufbesc­hwören will.

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VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN

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