Personal, Sparen, Desorganisation: Die wahren Probleme des AKH
Ob ein Primar wirklich selbst operiert hat, macht Patienten weniger besorgt als zu wenig und überlastetes Personal, Chaos und fahrlässige Sparmaßnahmen.
Tagelang kam er nicht aus den Schlagzeilen: Jener Primar, der mutmaßlich nicht selbst operierte, obwohl dies so vermerkt war. Als Beobachter der Vorgänge im Wiener AKH, ob als Patient oder als Angehöriger, wundert man sich, dass dies offenbar der einzige und gravierendste Missstand sein soll. Es gibt nämlich eine Fülle an Problemen und offenkundigen Mängeln in Österreichs größtem Krankenhaus, die viel schwerwiegendere Auswirkungen auf die Patienten haben. Darüber wird oder darf jedoch nicht gesprochen werden.
Da ist einmal das Pflegepersonal. Hier hört man immer wieder die Klage und kann es auch selbst beobachten, dass viele Stationen chronisch unterbesetzt sind. Der Stellenplan ist so knapp kalkuliert, dass ein Krankenstand genügt, um so manche Station und deren Belegschaft über die Belastungsgrenze zu bringen oder gar ins Chaos zu stürzen. Beschwerden des Personals bringen nichts, man müsse sparen, heiße es.
Dazu kommen die Probleme mit Patienten und deren Angehörigen, die nicht Deutsch sprechen, die Regeln nicht akzeptieren oder die Autorität weiblichen Personals nicht respektieren. Mit all dem muss man irgendwie zurechtkommen.
Das alles schlägt nicht nur auf die Stimmung durch, sondern erhöht auch die Gefahr für schwerwiegende Fehler. So berichtet ein Patient, dass ihm mehrmals versehentlich das falsche Medikament oder eine viel zu hohe Dosis verabreicht worden wären. Er habe jedoch keinen Wirbel gemacht, weil ihm die überarbeiteten Schwestern leidgetan hätten.
Auch interne Kommunikation und Organisation lassen mitunter zu wünschen übrig. So wurde ein frisch operierter Patient zu falschen Untersuchungen gebracht und stundenlang kreuz und quer durchs AKH geschoben. Visiten erfolgten teilweise oberflächlich, weil die an sich sehr bemühten Ärzte ebenfalls unter enormem Zeitdruck stehen.
Auf Unverständnis stößt bei der Belegschaft und bei vielen Patienten, dass man einerseits beim Bau des Kranken- hauses Nord Millionen verschwendet hat, beim Krankenhauspersonal im Krankenanstaltenverbund (KAV) jedoch rigoros gespart wird. Die Entlohnung des Personals ist nicht gerade üppig und man spart selbst bei Kleinigkeiten. So wird dem Pflegepersonal, das an einem Tag mit Zeitverschiebung eine Stunde mehr Nachtdienst zu leisten hat, diese nicht bezahlt. Die Sparsamkeit des KAV beim Personal hat gesundheitsgefährdende Ausmaße angenommen, nicht nur durch die Unterbesetzung.
Ein Patient, bei dem eine Transplantation vorgenommen wurde, berichtet, dass wegen mangelnder Funktion des Organs an einem Freitag akut eine Biopsie vorgenommen werden musste. Der Eingriff erfolgte rasch, bloß war am Wochenende kein einziger Pathologe anwesend, der die Gewebeprobe hätte untersuchen können. Offenbar die Regel. Dies, wohlgemerkt, an einer Uni-Klinik. Man musste drei Tage lang bis Montag warten. Der verzweifelte behandelnde Arzt begründete dies mit Einsparungen des KAV. Für den Patienten war dies nicht nur belastend, sondern gefährlich.
Zu all dem kommt, dass das AKH einerseits ein hochspezialisiertes Universitätsklinikum mit Topärzten, hochmodernen, teuren Geräten und kompletter Ausstattung ist. Andererseits ist es auch ein „Allgemeines Krankenhaus“, in dem auch Bagatellfälle behandelt werden (müssen). Selbst als Einrichtung zur Pflege muss es herhalten: So liegen in sündteuren Akutbetten nicht wenige Pflegefälle, die nur auf einen passenden Pflegeplatz warten.
Der Eigentümer, nämlich die Stadt Wien, sollte sich endlich einmal entscheiden, ob das AKH eine Uni-Klinik von Weltruf sein soll – oder ob man aufgrund unkoordinierter Einsparungen, mangelnder Mitarbeitermotivation und schlechter Organisation weiter die Qualität der Krankenversorgung gefährden oder gar Skandale heraufbeschwören will.