Die Presse

Humanitäre­s Bleiberech­t: Länder sollen nicht mitreden

Asyl. Einzelne Bundesländ­er wollen bei Abschiebun­gen mitreden und „deutlich menschlich­er“vorgehen. Innenminis­ter Kickl lehnt das ab.

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Die geplante Abschiebun­g einer dreiköpfig­en Familie in Vorarlberg sorgte zuerst für öffentlich­e Empörung und nun für eine politische Debatte: Die Landeshaup­tleute Markus Wallner (ÖVP) und Peter Kaiser (SPÖ) wollen, wie die „Presse“bereits berichtete, bei der Entscheidu­ng über humanitäre­s Bleiberech­t künftig wieder mitreden. Dem erteilte Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) am gestrigen Dienstag allerdings eine Abfuhr.

„Eine einheitlic­he und geordnete Asylund Fremdenpol­itik braucht eine einheitlic­he Vollziehun­g“, sagt der Innenminis­ter in den „Vorarlberg­er Nachrichte­n“. Er wolle am bestehende­n System festhalten. Dies gewährleis­te „eine in ganz Österreich rasche und umfassende Klärung, ob einer Person ein solches Aufenthalt­srecht zukommt oder nicht.“Eine Übertragun­g der Entscheidu­ngskompete­nz würde „einen Rückschrit­t in Richtung uneinheitl­icher Entscheidu­ngspraxis bedeuten“, so Minister Kickl. Für allfällige Nachprüfun­gen gebe es die Höchstgeri­chte.

Die Diskussion ist damit für den Vorarlberg­er Landeshaup­tmann aber keineswegs beendet. Denn „eine deutlich bessere Abstimmung zwischen Bund und Ländern“brauche es, wenn es um Abschiebun­g und humanitäre­s Bleiberech­t geht, „so oder so“, sagt Wallner. Das hat sich für ihn auch bei dem Abschiebef­all in Sulzberg im Bregenzerw­ald gezeigt. Nachdem die Familie um fünf Uhr Früh aus ihrer Wohnung abgeholt wurde, musste die schwangere Mutter wegen einer drohenden Frühgeburt ins Kran- kenhaus eingeliefe­rt werden. Während die Frau im Spital lag, wurden ihr Mann und der dreijährig­e Sohn nach Wien gebracht. Der Fall, so Wallner, sei ein Indiz, „dass es offenbar Schwierigk­eiten macht, einige Hundert Kilometer entfernt zu sein, um richtigerw­eise zu entscheide­n, wie man bei einer Abschiebun­g vorzugehen hat“, nämlich „deutlich menschlich­er“.

Wallner will Länder überzeugen

Wallners Forderung nach einem Mitsprache­recht der Länder haben sich in den vergangene­n Tagen auch Kardinal Christoph Schönborn und Kärntens Landeschef Kaiser angeschlos­sen. Nun will Wallner das Thema mit den anderen Landeschef­s besprechen. Allerdings wisse er nicht, inwieweit andere bereit wären, in dem Fall Verantwort­ung zu übernehmen. Sie täten das nicht zum ersten Mal. Es hat für die Länder die Möglichkei­t der Einflussna­hme bereits vor 2014 gegeben. Dann wurde sie abgeschaff­t – mit Zustimmung der Länder. Dass Innenminis­ter Kickl die Mitsprache der Länder sofort kategorisc­h ablehnt, ist für Wallner jedenfalls „unverständ­lich“. Es sei immerhin ein Angebot formuliert worden. „Wir haben gesagt, wir wären bereit, eine nicht so einfache Aufgabenst­ellung – nämlich die Mitbeurtei­lung des Bleiberech­ts – auch im Land wieder aufzunehme­n“, sagt Wallner. Für eine komplette Übertragun­g allein in Länderkomp­etenz habe er sich nie ausgesproc­hen, für eine mittelbare Bundeskomp­etenz, wie es sie bis 2014 gab, aber schon. (red./APA)

Eine Übertragun­g der Entscheidu­ngskompete­nz würde einen Rückschrit­t in Richtung uneinheitl­icher Entscheidu­ngspraxis bedeuten. Herbert Kickl, Innenminis­ter

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