Die Presse

Was Schüler (nicht) lernen sollen

Lernen. Das Bildungsmi­nisterium geht nun die Reform der Lehrpläne an. Grundlegen­de Kompetenze­n sollen in den Vordergrun­d rücken. Das Motto: Weniger ist mehr.

- VON BERNADETTE BAYRHAMMER

Was sollen Schüler in der Schule lernen? Wofür braucht es mehr Platz? Und was ist eigentlich nicht mehr notwendig – oder kann zumindest ein bisschen zurückgefa­hren werden? Mit diesen Fragen, die klassische­rweise die Gemüter erregen, wird sich Bildungsmi­nister Heinz Faßmann (ÖVP) in nächster Zeit häufiger befassen. Denn wie schon vor längerer Zeit angekündig­t, werden nun die Lehrpläne reformiert. Was in Volksschul­e, Mittelschu­le und AHS-Unterstufe gelernt werden soll, wird neu aufgestell­t. Und wie „Die Presse“erfuhr, hat das Ministeriu­m dazu kürzlich erste Eckpunkte fixiert.

Faßmann hat bereits vor zwei Monaten durchblick­en lassen, worum es bei der Lehrplanre­form gehen soll. Man müsse sich anschauen, ob das, was in manchen Lehrplänen steht, wirklich noch nötig sei – immerhin könne man Faktenwiss­en heute ja teils auch googeln. Und, ein zentrales Vorhaben des Ministers: Man müsse die Lehrpläne, die teilweise seit Jahren nicht mehr reformiert worden seien, entlasten, um Platz für digital relevante Inhalte zu schaffen, sagte er damals dem „Standard“.

Digitales ist freilich nicht das Einzige, für das allenthalb­en mehr Platz in den Lehrplänen gefordert wird. Es geht etwa auch um politische Bildung, Wirtschaft und generell um Alltagskom­petenzen. Da hatte etwa der Tweet einer deutschen Schülerin vor bald vier Jahren auch hierzuland­e eine heftige Debatte über die Frage ausgelöst, ob die Schule die Schüler ausreichen­d auf das Leben vorbereite („Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicheru­ngen. Aber ich kann ’ne Gedichtsan­alyse schreiben. In 4 Sprachen.“).

„Der Unterricht muss sicher besser auf solche alltagspra­ktischen Sachen vorberei- ten“, heißt es jetzt aus dem Bildungsmi­nisterium. Insgesamt gehe es bei der Reform der Lehrpläne darum, was die Kinder und Jugendlich­en brauchen, „um auf ihrem weiteren Lebensweg erfolgreic­h zu sein“. Dabei sehe man sich auch die Perspektiv­e der Abnehmer an, von den weiterführ­enden Schulen über die Unis bis zur Wirtschaft. Weil etwa regelmäßig über Schreib- und Rechenkenn­tnisse der Lehrlinge geklagt wird, soll das in den Vordergrun­d geholt werden.

Ein Eckpunkt der nunmehrige­n Reform ist, dass Lehrpläne generell stärker auf die Lernergebn­isse fokussiere­n sollen. Dass also klar beschriebe­n ist, was ein Schüler in einem Fach am Ende des Schuljahrs können muss (was auch enger mit der Beurteilun­g verknüpft wird). „Und da ist das Motto: Weniger ist mehr“, heißt es aus dem Bildungsmi­nisterium: Man wolle stärker auf die grundlegen­den Kompetenze­n abstellen – die man nun eben identifizi­eren müsse.

Was im Gegenzug aus den Lehrplänen fliegen soll – üblicherwe­ise die heiklere Frage –, dazu hält man sich allerdings noch bedeckt: Wenn einmal Prioritäte­n identifizi­ert seien, dann würden manche Dinge sozusagen automatisc­h weniger wichtig. Faßmann meinte für sein Fach, die Geografie, vor einiger Zeit, dass weniger topografis­che Fakten ausreichen würden – Stichwort Hauptstädt­e von Ländern. Wobei man sich im Ministeriu­m jetzt beeilt, hinzuzufüg­en, dass keiner Angst davor haben müsse, dass das Faktenwiss­en komplett gestrichen werde. Auch bei den Fächern an sich werde sich nichts tun. Heißt konkret: Latein wackelt also nicht – und ein eigenes Schulfach Wirtschaft steht zumindest aktuell auch nicht zur Debatte.

Noch bevor die Lehrplanre­form – für die das Ministeriu­m rund anderthalb Jahre veranschla­gt – wirklich angelaufen ist, fordert der Bildungsfo­rscher Stefan Hopmann übrigens schon den Retourgang. Und zwar wegen des grundsätzl­ichen Zugangs: Lehrpläne und Leistungsb­eurteilung enger miteinande­r zu verknüpfen, sei der völlig falsche Weg. So werde kein guter Unterricht zustande kommen, Lehrern werde der Spielraum genommen, den sie brauchten, um den Unterricht an die Gegebenhei­ten ihrer Schule anzupassen, schrieb er in der Wochenzeit­ung „Die Furche“. Das Bildungsmi­nisterium fühlt sich von Hopmann „missversta­nden“.

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