Was Schüler (nicht) lernen sollen
Lernen. Das Bildungsministerium geht nun die Reform der Lehrpläne an. Grundlegende Kompetenzen sollen in den Vordergrund rücken. Das Motto: Weniger ist mehr.
Was sollen Schüler in der Schule lernen? Wofür braucht es mehr Platz? Und was ist eigentlich nicht mehr notwendig – oder kann zumindest ein bisschen zurückgefahren werden? Mit diesen Fragen, die klassischerweise die Gemüter erregen, wird sich Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) in nächster Zeit häufiger befassen. Denn wie schon vor längerer Zeit angekündigt, werden nun die Lehrpläne reformiert. Was in Volksschule, Mittelschule und AHS-Unterstufe gelernt werden soll, wird neu aufgestellt. Und wie „Die Presse“erfuhr, hat das Ministerium dazu kürzlich erste Eckpunkte fixiert.
Faßmann hat bereits vor zwei Monaten durchblicken lassen, worum es bei der Lehrplanreform gehen soll. Man müsse sich anschauen, ob das, was in manchen Lehrplänen steht, wirklich noch nötig sei – immerhin könne man Faktenwissen heute ja teils auch googeln. Und, ein zentrales Vorhaben des Ministers: Man müsse die Lehrpläne, die teilweise seit Jahren nicht mehr reformiert worden seien, entlasten, um Platz für digital relevante Inhalte zu schaffen, sagte er damals dem „Standard“.
Digitales ist freilich nicht das Einzige, für das allenthalben mehr Platz in den Lehrplänen gefordert wird. Es geht etwa auch um politische Bildung, Wirtschaft und generell um Alltagskompetenzen. Da hatte etwa der Tweet einer deutschen Schülerin vor bald vier Jahren auch hierzulande eine heftige Debatte über die Frage ausgelöst, ob die Schule die Schüler ausreichend auf das Leben vorbereite („Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann ’ne Gedichtsanalyse schreiben. In 4 Sprachen.“).
„Der Unterricht muss sicher besser auf solche alltagspraktischen Sachen vorberei- ten“, heißt es jetzt aus dem Bildungsministerium. Insgesamt gehe es bei der Reform der Lehrpläne darum, was die Kinder und Jugendlichen brauchen, „um auf ihrem weiteren Lebensweg erfolgreich zu sein“. Dabei sehe man sich auch die Perspektive der Abnehmer an, von den weiterführenden Schulen über die Unis bis zur Wirtschaft. Weil etwa regelmäßig über Schreib- und Rechenkenntnisse der Lehrlinge geklagt wird, soll das in den Vordergrund geholt werden.
Ein Eckpunkt der nunmehrigen Reform ist, dass Lehrpläne generell stärker auf die Lernergebnisse fokussieren sollen. Dass also klar beschrieben ist, was ein Schüler in einem Fach am Ende des Schuljahrs können muss (was auch enger mit der Beurteilung verknüpft wird). „Und da ist das Motto: Weniger ist mehr“, heißt es aus dem Bildungsministerium: Man wolle stärker auf die grundlegenden Kompetenzen abstellen – die man nun eben identifizieren müsse.
Was im Gegenzug aus den Lehrplänen fliegen soll – üblicherweise die heiklere Frage –, dazu hält man sich allerdings noch bedeckt: Wenn einmal Prioritäten identifiziert seien, dann würden manche Dinge sozusagen automatisch weniger wichtig. Faßmann meinte für sein Fach, die Geografie, vor einiger Zeit, dass weniger topografische Fakten ausreichen würden – Stichwort Hauptstädte von Ländern. Wobei man sich im Ministerium jetzt beeilt, hinzuzufügen, dass keiner Angst davor haben müsse, dass das Faktenwissen komplett gestrichen werde. Auch bei den Fächern an sich werde sich nichts tun. Heißt konkret: Latein wackelt also nicht – und ein eigenes Schulfach Wirtschaft steht zumindest aktuell auch nicht zur Debatte.
Noch bevor die Lehrplanreform – für die das Ministerium rund anderthalb Jahre veranschlagt – wirklich angelaufen ist, fordert der Bildungsforscher Stefan Hopmann übrigens schon den Retourgang. Und zwar wegen des grundsätzlichen Zugangs: Lehrpläne und Leistungsbeurteilung enger miteinander zu verknüpfen, sei der völlig falsche Weg. So werde kein guter Unterricht zustande kommen, Lehrern werde der Spielraum genommen, den sie brauchten, um den Unterricht an die Gegebenheiten ihrer Schule anzupassen, schrieb er in der Wochenzeitung „Die Furche“. Das Bildungsministerium fühlt sich von Hopmann „missverstanden“.