So flüchtig kann die Freiheit sein, nicht nur am Alsergrund
Ein Platz und viele Namen: Was Dollfuß, Göring, Roosevelt mit 100 Jahren Republik verbindet.
F reiheit ist, wir wissen es, ein großes Wort. Kaum je, dass einer damit dasselbe meint wie sein Nächster. So irrlichtern die verschiedensten Freiheiten kreuz und quer durch alle politischen Lager und privaten Befindlichkeiten, und wo freiheitlich draufsteht, kann mitunter sogar verblüffend viel Kontrolle und Überwachung drinnen sein.
Sie ist halt doch ein reichlich wandelbares Gut, die Freiheit, und wandelbar gleichfalls in den Zeiten, ja von nachgerade beunruhigender Flüchtigkeit, gemessen an hiesiger Geschichte wie an hiesigem Stadtbild. Wiens erste Freiheitsgasse beispielsweise, anstelle der Herrengasse etabliert, blieb’s 1848 bloß für die Zeit eines kurzen Aufbegehrens. Auch der Freiheitsplatz, nach Ausrufung der Republik hinter der Votivkirche eingerichtet, musste wie die Freiheit selbst nur allzu baldig wieder weichen: 1934 in Dollfußplatz umbenannt, fand er, weitere vier Jahre später, kaum war Österreich „angeschlossen“, in Hitler-Helfer und Gestapo-Gründer Hermann Göring einen neuen Paten. All das nachzulesen in Peter Autengrubers vielfältig aufschlussreichem Band über „Verschwundene Wiener Straßennamen“(Edition Winkler-Hermaden, Wien).
Und die Freiheit? Die kehrte, von einem kurzen Nachkriegszwischenspiel abgesehen, nicht mehr hinter die Votivkirche zurück. Hier amtiert seit 1946 Franklin Delano Roosevelt, US-amerikanischer Weltkriegspräsident. Wer die Freiheit in Wiens Straßennamen sucht, der muss sich heutzutage weit hinaus ins Periphere bemühen, bis nach Stammersdorf: Dort findet sich nebst Heurigen und anderen Vergnüglichkeiten auch ein Freiheitsplatz. Seit 1920. Und dass ausgerechnet eine KaiserFranz-Joseph-Jubiläumssäule seine Mitte ziert, errichtet 1908 zum allerhöchsten Regierungsjubiläum seiner Majestät, dem eignet schon wieder ein Hauch von Ironie.