Wie Politiker „gefüttert“wurden
Gericht. Die „schwarzen Kassen“der Telekom Austria sind ab sofort Prozessgegenstand. Das Verfahren ist nun ein Teil des Buwog-Verfahrens um Karl-Heinz Grasser und Co.
SPÖ, ÖVP, FPÖ – keine dieser Parteien sollte zu kurz kommen. Die teilstaatliche Telekom Austria AG (kurz: TA) kaufte sich von 2004 bis 2008 politisches Wohlwollen. So lässt sich der Grundvorwurf der Anklage zusammenfassen. Und mit der bitteren Auflistung einzelner, teils durch Scheinrechnungen verschleierter Überweisungen begann am Dienstag der bisher größte Prozess zum Thema Telekom-Geld. Und natürlich zum Thema illegale Parteienfinanzierung.
Das Besondere: Dieses Untreue- und Geldwäsche-Verfahren um die seinerzeitigen „schwarzen Kassen“der TA ist in das Buwog-Verfahren um Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und Co. eingebettet. Denn die Korruptionsstaatsanwaltschaft will, dass diese Männer bestraft werden: ExTA-Festnetz-Chef Rudolf Fischer (65), er wurde in Sachen „Telekom“bereits zweimal verurteilt; Peter Hochegger (69), Ex-Lobbyist und Gründer der Beratungsfirma Valora; Walter Meischberger (58), Ex-FPÖ-Politiker und früher ebenfalls Lobbyist; Michael Fischer (der nunmehrige Auftakt-Tag war zugleich sein 55. Geburtstag), früher ÖVP-Manager, danach TA-Public-Affairs-Leiter; K. (65), ein weiterer Ex-TA-Mitarbeiter.
Da nun zwei Männer, Hochegger und Meischberger, sowohl im Buwog- als auch im Telekom-Komplex angeklagt sind, hat Richterin Marion Hohenecker eine Verfahrensfusion vorgenommen (Juristen sprechen von Konnexität). Dass Grasser und andere nun eine Zeit lang nicht mit auf der Anklagebank sitzen müssen, ist quasi ein Entgegenkommen der Richterin. Aber es ist gut möglich, dass es ganz am Schluss (Herbst 2019?) ein großes, gemeinsames Urteil gibt.
Wie viele Verhandlungstage noch kommen, ist offen. Bis gestern, Dienstag, wurde im Buwog-Verfahren (nun passender: Buwog-Telekom-Verfahren) an 58 Tagen verhandelt. Meist vormittags und nachmittags, jeweils circa sieben Stunden. Müsste ein einzelner Angeklagter die Anwaltskosten gemäß Anwaltstarif für Schöffengerichte bezahlen, so müsste er bisher bereits 320.000 Euro brutto auf den Tisch blättern. Die meisten Angeklagten haben daher Pauschalen ausgehandelt. Andere lassen sich von Pflichtverteidigern vertreten („Verfahrenshilfe“, finanziert von den Steuerzahlern). Aber zurück zu den „schwarzen Kassen“.
In einer Art Doppelkonferenz geißelten nun (Tag 59) die beiden Oberstaatsanwälte Gerald Denk und Alexander Marchart das Schmiergeldsystem: Politische Parteien seien „großzügig“bedient worden. So sei etwa 2006 eine Parteispende von 24.000 Euro an eine „von der SPÖ beauftragte Werbeagentur“überwiesen worden. Weiters habe der SPÖ-Abgeordnete Kurt Gartlehner (er war Telekom-Sprecher) einen Beratervertrag bei Hochegger bekommen, so seien 110.000 Euro geflossen.
„Aber auch die ÖVP sollte nicht zu kurz kommen“, so die Ankläger. 2006 und 2007 seien 250.000 Euro an eine parteinahe Werbeagentur geflossen. Geld, das die ÖVP mittlerweile zurückbezahlt habe. Pikantes Detail: Der Fußballverein Sierning, dessen Mitglied Ex-ÖVP-Vizekanzler Wilhelm Molterer war, habe 65.000 Euro bekommen. In Richtung ÖVP seien auch (auf Veranlassung von Michael Fischer) 96.000 Euro geflossen. Das Geld habe eine parteinahe EventmarketingAgentur bekommen. Auch dieses Geld sei mittlerweile retourniert worden.
Die FPÖ habe zum Beispiel in Person von Reinhard Gaugg, vormals Nationalratsabgeordneter, profitiert, er habe 36.000 Euro (Jahr 2005) bekommen. Für eine LobbyingStudie – von der die TA aber laut Anklage nichts hatte. Und Ex-Vizekanzler Gorbach habe nach seinem Ausscheiden aus der Politik Zuschüsse für die Finanzierung seiner Sekretärin erhalten, 270.000 Euro. Gorbach ist mit einer Diversion davongekommen – plus 1680 Euro Geldbuße. Verurteilungen von Politikern gab es bisher keine, da das „Anfüttern“damals nicht strafbar war.
Weiter: „Auch Hochegger und Meischberger haben Geld in die eigenen Taschen gescheffelt.“Rudolf Fischer wiederum muss insgesamt eine Schadenssumme von 3,6 Millionen Euro verantworten. Ein weiterer Teil des entzogenen Geldes sei bereits in einem anderen Strafverfahren abgehandelt worden, so die Oberstaatsanwälte. Und: „Man hat mit den ,schwarzen Kassen‘ einen ausgelagerten Selbstbedienungsladen geschaffen.“Meischberger etwa sei einmal auf eine Golfreise ins spanische Bilbao gejettet. Auf TA-Kosten. Es sei um ein Golfplatzprojekt der TA gegangen, nicht ums Vergnügen, konterte Meischberger-Anwalt Jörg Zarbl. Sein Schützling bekannte sich nicht schuldig. Hochegger und Rudolf Fischer bekannten sich teilschuldig. Fischer-Anwalt Otto Dietrich stellte einen Schaden für die TA infrage: „Die TA hat damals besser performt als jemals davor und jemals danach.“
Michael Fischer und der fünfte Mann bekannten sich „teilverantwortlich“. Sie erbaten ebenfalls eine Diversion. Heute, Mittwoch, wird weiterverhandelt.