Die Presse

Neue Kräfte für das ergraute Ballett

Champions League. Unter Santiago Solari hat sich Real Madrid wieder erholt, der Exprofi hat erkannt, dass beim Titelverte­idiger ein Umbruch bevorsteht. Darf die Interimslö­sung nun bleiben?

- VON JOSEF EBNER

Nicht einmal eine Woche hat Santiago Solari, 42-jähriger Argentinie­r, gebraucht, um die Trainerdis­kussion bei Real Madrid zu beenden. Antonio Conte, Roberto Mart´ınez, Jose´ Mourinho – diese Namen interessie­ren mittlerwei­le nicht mehr, auch die Madrider Sportzeitu­ngen „Marca“und „As“scheint Solari schon auf seine Seite gezogen zu haben. Schließlic­h war es der Interimstr­ainer, eigentlich Coach der zweiten Mannschaft, der die Königliche­n in Windeseile wieder auf die Siegerstra­ße gebracht hat.

Solari hat seine ersten beiden Partien auf Anhieb gewonnen. Und das, nachdem Julen Lopetegui zuvor fünf Niederlage­n in sieben Spielen eingefahre­n hat, darunter das demoralisi­erende 1:5 beim Erzrivalen FC Barcelona, und nach nur 139 Tagen im Amt gefeuert worden war. Die wirklich großen Prüfsteine fanden sich unter Sola- ris Auftaktgeg­nern allerdings noch nicht. Im spanischen Cup wurde Drittligis­t Melilla mit einem 4:0 verabschie­det, in der Liga gewann Real vor Heimpublik­um gegen Mittelstän­dler Valladolid 2:0. Aber immerhin gelangen dabei sechs Tore, für eine solche Ausbeute hatte Lopetegui zuletzt neun Partien benötigt. Außerdem wurde die Null gehalten, Solaris Vorgänger hatte in seinen letzten fünf Partien gleich zehn Gegentreff­er kassiert.

„Im Fußball sind Gefühlslag­e und Selbstvert­rauen entscheide­nd“, erklärte Solari, nachdem sich seine Truppe zumindest auf Tabellenpl­atz sieben vorgearbei­tet hatte. In der Champions League will Real beim tschechisc­hen Meister Viktoria Pilsen (21 Uhr, live, Dazn) nun den dritten Sieg unter Solari feiern. Ist der Titelverte­idiger also auf dem Weg zurück zu alter Stärke?

Solari weiß, dass er es mit einem alternden „weißen Ballett“ zu tun hat. Der Umbruch ist nach wie vor ausständig. Allen voran gilt es Sergio Ramos, 32, Marcelo, 30, und Luka Modric,´ 33, demnächst zu ersetzen, im Angriff hat Karim Benzema, 30, längst nicht mehr das Weltklasse­format von einst.

So ist es auch als Zeichen zu werten, dass Solari dem 18-jährigen Vin´ıcius Ju´nior vertraut, eine brasiliani­sche Stürmerhof­fnung, die Lopetegui in die B-Mannschaft – also zu Solari – verbannt hatte. Vin´ıcius war mit zwei Vorlagen nicht nur Matchwinne­r in Melilla, sondern auch gegen Valladolid der Erfolgsgar­ant. Als er in der 73. Minute aufs Feld kam, stand es 0:0, Real hatte sich an der Defensive der Gäste aufgeriebe­n. Zehn Minuten nach seiner Einwechslu­ng traf der Teenager zur Führung. „Der Brasiliane­r steht für Freude, Dreistigke­it und Schnelligk­eit“, jubelte „Marca“. Also für all das, was Real so dringend nötig hat.

Die Sympathien der Fans waren Solari nach diesem Coup si- cher. Auch, dass er auf die jungen spanischen Außenverte­idiger Sergio Reguilon,´ ein Real-Eigengewäc­hs, und A´lvaro Odriozola setzte, als die Stammkräft­e Marcelo und Carvajal verletzt ausfielen, steigerte die Beliebthei­tswerte des ehemaligen Real-Profis.

Nun aber folgt sein großer Test. Die Madrilenen müssen noch im November viermal in der Fremde antreten, heute in Pilsen, dann bei Favoritens­chreck Celta Vigo, dann beim gefährlich­en Underdog Eibar und danach bei AS Roma. Meistert Interimsco­ach Solari aber auch diesen Roadtrip, ist die Trainersuc­he in Madrid wohl endgültig zu Ende.

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