Zobernig in Arabien: „Subversive Formen“
Ausstellung. Einer der erfolgreichsten österreichischen Künstler, Heimo Zobernig, stellt gemeinsam mit einem jungen Star des arabischen Kunstmarkts in Sharjah aus und zeigt dabei einige noch nie ausgestellte „Schlüssel- und Lieblingswerke“.
Es ist selten, dass österreichische Künstler im Nahen Osten ausstellen. Noch seltener ist die Kombination, die gerade im Museum in Sharjah in den Vereinigten Arabischen Emiraten zu sehen ist: Heimo Zobernig trifft auf Abdulnasser Gharem. Gharem, bis vor gar nicht langer Zeit noch Offizier in der saudiarabischen Armee, gilt als ultimativer Superstar des jungen arabischen Kunstmarkts. In seiner nicht einmal zehnjährigen Künstlerkarriere sind seine Werke schon in den siebenstelligen Bereich gestiegen.
Ausstellungsort ist ein Museum in Sharjah, dem kleinen Nachbaremirat von Dubai. Zwar verfügt Sharjah nicht über eine so atemberaubende Museumsarchitektur wie der Louvre Abu Dhabi, auch nicht über eine ausgeprägte Galerienszene wie Dubai. Aber hier findet seit 1993 die wichtigste Biennale des Nahen Ostens statt. Dafür entstanden in den letzten Jahren perfekte Räume inmitten des historischen Altstadtviertels, die auch für programmatische Ausstellungen genutzt werden. Gerade eröffnete hier die umfassende Einzelausstellung des britischen, 1934 in der Karibik geborenen Malers Frank Bowling mit großartigen abstrakt-expressionistischen Riesenformaten aus den 60er-Jahren.
Aus den 1990er-Jahren stammt das Sharjah Art Museum, in dem jetzt Zobernig und Gharem ausstellen. Im orientalistischen Stil mit langen Gängen angelegt, rechts und links von boxenartigen Räumen gesäumt, steht jedem ein eigener Flügel zur Verfügung. Es ist eine Gastausstellung, organisiert von der Kölner Galeristin Brigitte Schenk, die seit 17 Jahren mit Hoor al-Qasimi zusammenarbeitet – der Prinzessin von Shar- jah, dem Mastermind des Kunst- und Kulturschwerpunkts. Als Kuratorin wurde Amira Gad von den Londoner Serpentine Galleries engagiert, die beide Künstler unter dem bedeutungsvollen Titel „Subversive Formen sozialer Skulptur“bündelt.
Subversiv? Zobernig zeigt eine kleine Retrospektive, darunter teils nie zuvor ausgestellte „Schlüssel- und Lieblingswerke“, wie er im Gespräch mit der „Presse“sagt, etwa das kleine pastose Bild in Form eines Ornaments. Die meisten Werke sind zwar streng minimalistisch, tragen aber trotzdem Bedeutung, betont er. Zobernig spricht von „Postformalismus“: „Die Formen sind ja nicht hohl, sind unvermeidlich immer mit Bedeutung aufgeladen und haben sich weiterentwickelt.“
Abdulnasser Gharem dagegen schert sich nicht um die Geschichte der künstlerischen Sprachen, sondern hat die Verände- rung der Gesellschaft im Blick: Er thematisiert Restriktionen wie das Verbot von Aktmalerei, Separatismus, Probleme der Religionen. Mit Hunderten kleinen Stempeln setzt er Bilder zusammen, die etwa einen Panzer inmitten von Ornament zeigen oder Soldaten mit Gewehren in einer Moscheekuppel. Darin sind verborgene Botschaften in Spiegelschrift eingefügt, teilweise die Schlagzeilen von der 9/11-Attacke – dem zentralen Wendepunkt in der Geschichte der arabischen Nationen, wie er erklärt. „Seither ist alles anders.“In einem Video wird er explizit: Auf den Rücken eines Mannes ist die Landkarte der arabischen Welt tätowiert, darauf werden Schröpfkegel gesetzt und die Haut wird eingeritzt.
„Das schlechte Blut muss ausgetauscht werden“, erklärt Gharem dazu. Er glaubt an eine Erneuerung der arabischen Gesellschaften, und die Künstler würden darin einen zentralen Teil übernehmen, betont er. Darum hat er auch in Riad sein Gharem Studio gegründet, wo er kostenlos junge Studierende ausbildet. Jüngst ging er mit deren Werken auf eine USA-Tournee, bei der auch das Drahtgestell in Form einer Moschee zu sehen war – das deutlich an ein Gefängnis erinnert.
Was aber ist subversiv in Zobernigs Werk, und was haben die Werke dieser beiden Künstler überhaupt gemein? Zobernigs Antwort: „Gemeinsam ist die Farbe Grün“– also eigentlich nichts. Bei ihm als farbbasierte Bildfreistellungskulisse eingesetzt, ist Grün bei Gharem die Farbe des Islam. In seiner Skulptur einer Moscheekuppel thematisiert er den Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten, die goldene Seite ist mit schiitischem Ornament verziert – und zugleich erinnert sie an einen Kampfhelm mit Nasenschutz. „Wir haben den radikalen Individualismus. Die Kunst fragt sich da, was die Themen sind, wie sie sich weiterentwickelt. Bei Gharem ist es eher die Frage, was die Kunst in der Gesellschaft darf“, erklärt Zobernig.
Und die Subversion? Bei Zobernig könne man von einer „subversiven Ästhetik, bei Gharem von einer subversiven Ethik“sprechen, fasst es Schenk zusammen und betont, gerade die Unterschiede ließen die beiden Werke umso stärker wirken. Am Tag der Eröffnung war in der lokalen Zeitung zu lesen, dass Mohammed bin Zayed, Kronprinz von Abu Dhabi, gerade eine Neuausrichtung festlege: Investment, Gesellschaft, Wissen und Innovation, und als unerwartete vierte Säule Lifestyle. Kultur kommt nicht mehr vor – ein klarer Mangel, wie diese Doppelausstellung in Sharjah eindrücklich beweist.