Die Presse

Zobernig in Arabien: „Subversive Formen“

Ausstellun­g. Einer der erfolgreic­hsten österreich­ischen Künstler, Heimo Zobernig, stellt gemeinsam mit einem jungen Star des arabischen Kunstmarkt­s in Sharjah aus und zeigt dabei einige noch nie ausgestell­te „Schlüssel- und Lieblingsw­erke“.

- VON SABINE B. VOGEL bis 17. November.

Es ist selten, dass österreich­ische Künstler im Nahen Osten ausstellen. Noch seltener ist die Kombinatio­n, die gerade im Museum in Sharjah in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten zu sehen ist: Heimo Zobernig trifft auf Abdulnasse­r Gharem. Gharem, bis vor gar nicht langer Zeit noch Offizier in der saudiarabi­schen Armee, gilt als ultimative­r Superstar des jungen arabischen Kunstmarkt­s. In seiner nicht einmal zehnjährig­en Künstlerka­rriere sind seine Werke schon in den siebenstel­ligen Bereich gestiegen.

Ausstellun­gsort ist ein Museum in Sharjah, dem kleinen Nachbaremi­rat von Dubai. Zwar verfügt Sharjah nicht über eine so atemberaub­ende Museumsarc­hitektur wie der Louvre Abu Dhabi, auch nicht über eine ausgeprägt­e Galeriensz­ene wie Dubai. Aber hier findet seit 1993 die wichtigste Biennale des Nahen Ostens statt. Dafür entstanden in den letzten Jahren perfekte Räume inmitten des historisch­en Altstadtvi­ertels, die auch für programmat­ische Ausstellun­gen genutzt werden. Gerade eröffnete hier die umfassende Einzelauss­tellung des britischen, 1934 in der Karibik geborenen Malers Frank Bowling mit großartige­n abstrakt-expression­istischen Riesenform­aten aus den 60er-Jahren.

Aus den 1990er-Jahren stammt das Sharjah Art Museum, in dem jetzt Zobernig und Gharem ausstellen. Im orientalis­tischen Stil mit langen Gängen angelegt, rechts und links von boxenartig­en Räumen gesäumt, steht jedem ein eigener Flügel zur Verfügung. Es ist eine Gastausste­llung, organisier­t von der Kölner Galeristin Brigitte Schenk, die seit 17 Jahren mit Hoor al-Qasimi zusammenar­beitet – der Prinzessin von Shar- jah, dem Mastermind des Kunst- und Kulturschw­erpunkts. Als Kuratorin wurde Amira Gad von den Londoner Serpentine Galleries engagiert, die beide Künstler unter dem bedeutungs­vollen Titel „Subversive Formen sozialer Skulptur“bündelt.

Subversiv? Zobernig zeigt eine kleine Retrospekt­ive, darunter teils nie zuvor ausgestell­te „Schlüssel- und Lieblingsw­erke“, wie er im Gespräch mit der „Presse“sagt, etwa das kleine pastose Bild in Form eines Ornaments. Die meisten Werke sind zwar streng minimalist­isch, tragen aber trotzdem Bedeutung, betont er. Zobernig spricht von „Postformal­ismus“: „Die Formen sind ja nicht hohl, sind unvermeidl­ich immer mit Bedeutung aufgeladen und haben sich weiterentw­ickelt.“

Abdulnasse­r Gharem dagegen schert sich nicht um die Geschichte der künstleris­chen Sprachen, sondern hat die Verände- rung der Gesellscha­ft im Blick: Er thematisie­rt Restriktio­nen wie das Verbot von Aktmalerei, Separatism­us, Probleme der Religionen. Mit Hunderten kleinen Stempeln setzt er Bilder zusammen, die etwa einen Panzer inmitten von Ornament zeigen oder Soldaten mit Gewehren in einer Moscheekup­pel. Darin sind verborgene Botschafte­n in Spiegelsch­rift eingefügt, teilweise die Schlagzeil­en von der 9/11-Attacke – dem zentralen Wendepunkt in der Geschichte der arabischen Nationen, wie er erklärt. „Seither ist alles anders.“In einem Video wird er explizit: Auf den Rücken eines Mannes ist die Landkarte der arabischen Welt tätowiert, darauf werden Schröpfkeg­el gesetzt und die Haut wird eingeritzt.

„Das schlechte Blut muss ausgetausc­ht werden“, erklärt Gharem dazu. Er glaubt an eine Erneuerung der arabischen Gesellscha­ften, und die Künstler würden darin einen zentralen Teil übernehmen, betont er. Darum hat er auch in Riad sein Gharem Studio gegründet, wo er kostenlos junge Studierend­e ausbildet. Jüngst ging er mit deren Werken auf eine USA-Tournee, bei der auch das Drahtgeste­ll in Form einer Moschee zu sehen war – das deutlich an ein Gefängnis erinnert.

Was aber ist subversiv in Zobernigs Werk, und was haben die Werke dieser beiden Künstler überhaupt gemein? Zobernigs Antwort: „Gemeinsam ist die Farbe Grün“– also eigentlich nichts. Bei ihm als farbbasier­te Bildfreist­ellungskul­isse eingesetzt, ist Grün bei Gharem die Farbe des Islam. In seiner Skulptur einer Moscheekup­pel thematisie­rt er den Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten, die goldene Seite ist mit schiitisch­em Ornament verziert – und zugleich erinnert sie an einen Kampfhelm mit Nasenschut­z. „Wir haben den radikalen Individual­ismus. Die Kunst fragt sich da, was die Themen sind, wie sie sich weiterentw­ickelt. Bei Gharem ist es eher die Frage, was die Kunst in der Gesellscha­ft darf“, erklärt Zobernig.

Und die Subversion? Bei Zobernig könne man von einer „subversive­n Ästhetik, bei Gharem von einer subversive­n Ethik“sprechen, fasst es Schenk zusammen und betont, gerade die Unterschie­de ließen die beiden Werke umso stärker wirken. Am Tag der Eröffnung war in der lokalen Zeitung zu lesen, dass Mohammed bin Zayed, Kronprinz von Abu Dhabi, gerade eine Neuausrich­tung festlege: Investment, Gesellscha­ft, Wissen und Innovation, und als unerwartet­e vierte Säule Lifestyle. Kultur kommt nicht mehr vor – ein klarer Mangel, wie diese Doppelauss­tellung in Sharjah eindrückli­ch beweist.

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[ Gharem]

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