„Es gibt nicht nur eine Erzählung“
Haus der Geschichte. Direktorin Monika Sommer wünscht sich ein Ende der kulturpolitischen Diskussionen um ihr Museum, das am Samstag eröffnet wird.
Die Presse: Am Samstag wird nach Jahrzehnten der Überlegungen und Jahren der Planung das Haus der Geschichte eröffnet. Nennen Sie es intern nun schon „Haus der Republik“, wie sich das Kulturminister Blümel für die Zukunft vorstellt? Monika Sommer: Nein, der Herr Minister hat ja selber gesagt: Das ist ein Arbeitstitel. Wir eröffnen das Haus der Geschichte Österreich, wie es im Bundesmuseengesetz verankert ist.
Der wissenschaftliche Beirat hat sich klar dagegen ausgesprochen, nur Republiksgeschichte zu erzählen und das 19. Jahrhundert auszusparen. Würden Sie überhaupt Direktorin von einem „Haus der Republik“sein wollen? Ich verstehe das Haus als zeitgeschichtliches Museum, das muss auch mit dem Namen deutlich zum Ausdruck kommen. Die Beiräte und die Historikercommunity haben vielfach empfohlen, ab 1848 zu beginnen. Grundsätzlich sind unterschiedlichste Konzepte denkbar.
Was bisher zu beobachten war: Bei jedem Ministerwechsel bekam das Haus der Geschichte einen neuen Stempel, einen neuen Spin. Kann es sich so als Institution in der Museumslandschaft etablieren? Ich denke, man tut dem Museum etwas Gutes, wenn man sich sehr bald klar zu Rahmenbedingungen bekennt, innerhalb derer es dann einen gefestigten Weg gehen kann. Auch in Brüssel oder Bonn hat es heftige Diskussionen im Vorfeld gegeben. Mit der Eröffnung dieser Häuser sind die Diskussionen auch weitergegangen, aber es waren dann inhaltliche, keine kulturpolitischen mehr. Das ist es, was ich mir auch für das Haus der Geschichte Österreich wünsche.
Reden wir also über Inhalte. Es werden sieben Themen in drei Sälen präsentiert. Warum diese Aufteilung? Es gibt nicht nur eine Erzählung über dieses Jahrhundert, und natürlich gibt es auch viele Möglichkeiten, wie man es darstellt. Wir sind ein Museum des 21. Jahrhunderts, das heißt, wir müssen all die Kritik an der Institution Museum aufnehmen, die es in den vergangenen Jahrzehnten vonseiten zivilgesellschaftlicher Gruppierungen, aber auch der Wissenschaften, der Gender Studies, der Postcolonial Studies gab.
Heißt das, die Schüler, die sich hier über die österreichische Geschichte informieren sollen, gehen nicht mit einer klaren Vorstellung raus, sondern mit der Ahnung: Es ist kompliziert? Wir haben einen der Ausstellungsteile als Chronologie organisiert, es gibt also einen Handlauf durch die Geschichte, der ein Rüstzeug bietet. Wir sind ein Ort, an dem man erfahren soll, dass jeder seine eigene Geschichte hat und sich einbringen kann – dass es aber auch wissenschaftliche Perspektiven gibt. Wenn wir dazu beitragen können, zu verstehen, dass jede Generation ihre eigene Sicht auf die Vergangenheit hat, dann haben wir schon viel geschafft.
Soll dann jede Generation ihre Perspektive in der Ausstellung wiederfinden? Die Frage ist eher: Wenn man sich diese Umbruchsjahre 1918 bis 1921 anschaut – welche Themen waren damals brennend und bewegen uns heute noch? Etwa der Umgang mit Grenzen. Oder der wichtige Satz in der Verfassung: Jeder Staatsbürger ist gleich. Stimmt das in diesem Jahrhundert? Oder gab es Gruppen, die um die Anerkennung ihrer Rechte erst kämpfen mussten?
Hat es lang gedauert, sich auf diese Fragen zu einigen? Zwei Mitglieder haben im Sommer den Beirat verlassen, weil ihnen noch nicht klar war, wie das Narrativ der Ausstellung aussehen soll. Als modernes Museum bieten wir eben nicht nur ein singuläres Narrativ. Diese Vorstellung, dass ein Museum eine einzige Perspektive auf die Geschichte bringen muss, hat ja auch dazu beigetragen, dass es so lang gedauert hat, bis man sich politisch verständigen konnte, das Haus der Geschichte Österreich überhaupt zu gründen. Was wirklich gelungen ist: Dass im Gesetz der Begriff „Diskussionsforum“festgeschrieben ist. Genau das müssen wir sein.
Ihr Lieblingsobjekt in der Sammlung? Ein Holzmodell, das wir von Erhard Busek bekommen haben, und das von den architektonischen Plänen für das Museumsquartier erzählt. Ich finde es insofern inspirierend, als ich denke, man sollte auch den Mut haben, den Heldenplatz weiterzudenken. Wir sollten darüber nachdenken, ob die Zweite Republik sich nicht mit einem Neubau in die Innere Stadt einschreiben sollte.
Sie zeigen auch das Germania-Liederbuch. Was lässt sich damit erzählen? Wir haben einen Themenschwerpunkt, der sich mit den geschichtspolitischen Debatten der Zweiten Republik befasst, mit der Borodajkewycz-Affäre, der Kreisky-WiesenthalAffäre, der Waldheim-Debatte – und eben auch der Liederbuchdebatte. Sie zeigt, dass die nationalsozialistische Ideologie und der damit verbundene Antisemitismus offenbar in Teilen dieser Gesellschaft unterschwellig durchaus vorhanden sind und an Beispielen wie diesem immer wieder aufpoppen. Für einen Rechtsstaat, in dem gewisse Lehren aus der Vergangenheit gezogen werden müssen, ist Antisemitismus untragbar.
gibt es ein politisches Gerangel um ein österreichisches Zeitgeschichtemuseum. 2015 fasste SP-Kulturminister Ostermayer konkrete Pläne, sein Nachfolger Drozda verkleinerte das Projekt drastisch, brachte es aber auf den Weg. Der jetzige VP-Minister Blümel kündigte kürzlich an, es künftig umbenennen und ans Parlament anbinden zu wollen. Die langfristige Standortfrage ist noch offen, der derzeitige Platz von 750 Quadratmetern in der Neuen Burg reicht nur für die erste Eröffnungsausstellung: „Aufbruch ins Ungewisse – Österreich seit 1918“ist ab Samstag zu sehen.