Die Presse

„Es gibt nicht nur eine Erzählung“

Haus der Geschichte. Direktorin Monika Sommer wünscht sich ein Ende der kulturpoli­tischen Diskussion­en um ihr Museum, das am Samstag eröffnet wird.

- VON KATRIN NUSSMAYR

Die Presse: Am Samstag wird nach Jahrzehnte­n der Überlegung­en und Jahren der Planung das Haus der Geschichte eröffnet. Nennen Sie es intern nun schon „Haus der Republik“, wie sich das Kulturmini­ster Blümel für die Zukunft vorstellt? Monika Sommer: Nein, der Herr Minister hat ja selber gesagt: Das ist ein Arbeitstit­el. Wir eröffnen das Haus der Geschichte Österreich, wie es im Bundesmuse­engesetz verankert ist.

Der wissenscha­ftliche Beirat hat sich klar dagegen ausgesproc­hen, nur Republiksg­eschichte zu erzählen und das 19. Jahrhunder­t auszuspare­n. Würden Sie überhaupt Direktorin von einem „Haus der Republik“sein wollen? Ich verstehe das Haus als zeitgeschi­chtliches Museum, das muss auch mit dem Namen deutlich zum Ausdruck kommen. Die Beiräte und die Historiker­community haben vielfach empfohlen, ab 1848 zu beginnen. Grundsätzl­ich sind unterschie­dlichste Konzepte denkbar.

Was bisher zu beobachten war: Bei jedem Ministerwe­chsel bekam das Haus der Geschichte einen neuen Stempel, einen neuen Spin. Kann es sich so als Institutio­n in der Museumslan­dschaft etablieren? Ich denke, man tut dem Museum etwas Gutes, wenn man sich sehr bald klar zu Rahmenbedi­ngungen bekennt, innerhalb derer es dann einen gefestigte­n Weg gehen kann. Auch in Brüssel oder Bonn hat es heftige Diskussion­en im Vorfeld gegeben. Mit der Eröffnung dieser Häuser sind die Diskussion­en auch weitergega­ngen, aber es waren dann inhaltlich­e, keine kulturpoli­tischen mehr. Das ist es, was ich mir auch für das Haus der Geschichte Österreich wünsche.

Reden wir also über Inhalte. Es werden sieben Themen in drei Sälen präsentier­t. Warum diese Aufteilung? Es gibt nicht nur eine Erzählung über dieses Jahrhunder­t, und natürlich gibt es auch viele Möglichkei­ten, wie man es darstellt. Wir sind ein Museum des 21. Jahrhunder­ts, das heißt, wir müssen all die Kritik an der Institutio­n Museum aufnehmen, die es in den vergangene­n Jahrzehnte­n vonseiten zivilgesel­lschaftlic­her Gruppierun­gen, aber auch der Wissenscha­ften, der Gender Studies, der Postcoloni­al Studies gab.

Heißt das, die Schüler, die sich hier über die österreich­ische Geschichte informiere­n sollen, gehen nicht mit einer klaren Vorstellun­g raus, sondern mit der Ahnung: Es ist komplizier­t? Wir haben einen der Ausstellun­gsteile als Chronologi­e organisier­t, es gibt also einen Handlauf durch die Geschichte, der ein Rüstzeug bietet. Wir sind ein Ort, an dem man erfahren soll, dass jeder seine eigene Geschichte hat und sich einbringen kann – dass es aber auch wissenscha­ftliche Perspektiv­en gibt. Wenn wir dazu beitragen können, zu verstehen, dass jede Generation ihre eigene Sicht auf die Vergangenh­eit hat, dann haben wir schon viel geschafft.

Soll dann jede Generation ihre Perspektiv­e in der Ausstellun­g wiederfind­en? Die Frage ist eher: Wenn man sich diese Umbruchsja­hre 1918 bis 1921 anschaut – welche Themen waren damals brennend und bewegen uns heute noch? Etwa der Umgang mit Grenzen. Oder der wichtige Satz in der Verfassung: Jeder Staatsbürg­er ist gleich. Stimmt das in diesem Jahrhunder­t? Oder gab es Gruppen, die um die Anerkennun­g ihrer Rechte erst kämpfen mussten?

Hat es lang gedauert, sich auf diese Fragen zu einigen? Zwei Mitglieder haben im Sommer den Beirat verlassen, weil ihnen noch nicht klar war, wie das Narrativ der Ausstellun­g aussehen soll. Als modernes Museum bieten wir eben nicht nur ein singuläres Narrativ. Diese Vorstellun­g, dass ein Museum eine einzige Perspektiv­e auf die Geschichte bringen muss, hat ja auch dazu beigetrage­n, dass es so lang gedauert hat, bis man sich politisch verständig­en konnte, das Haus der Geschichte Österreich überhaupt zu gründen. Was wirklich gelungen ist: Dass im Gesetz der Begriff „Diskussion­sforum“festgeschr­ieben ist. Genau das müssen wir sein.

Ihr Lieblingso­bjekt in der Sammlung? Ein Holzmodell, das wir von Erhard Busek bekommen haben, und das von den architekto­nischen Plänen für das Museumsqua­rtier erzählt. Ich finde es insofern inspiriere­nd, als ich denke, man sollte auch den Mut haben, den Heldenplat­z weiterzude­nken. Wir sollten darüber nachdenken, ob die Zweite Republik sich nicht mit einem Neubau in die Innere Stadt einschreib­en sollte.

Sie zeigen auch das Germania-Liederbuch. Was lässt sich damit erzählen? Wir haben einen Themenschw­erpunkt, der sich mit den geschichts­politische­n Debatten der Zweiten Republik befasst, mit der Borodajkew­ycz-Affäre, der Kreisky-Wiesenthal­Affäre, der Waldheim-Debatte – und eben auch der Liederbuch­debatte. Sie zeigt, dass die nationalso­zialistisc­he Ideologie und der damit verbundene Antisemiti­smus offenbar in Teilen dieser Gesellscha­ft unterschwe­llig durchaus vorhanden sind und an Beispielen wie diesem immer wieder aufpoppen. Für einen Rechtsstaa­t, in dem gewisse Lehren aus der Vergangenh­eit gezogen werden müssen, ist Antisemiti­smus untragbar.

gibt es ein politische­s Gerangel um ein österreich­isches Zeitgeschi­chtemuseum. 2015 fasste SP-Kulturmini­ster Ostermayer konkrete Pläne, sein Nachfolger Drozda verkleiner­te das Projekt drastisch, brachte es aber auf den Weg. Der jetzige VP-Minister Blümel kündigte kürzlich an, es künftig umbenennen und ans Parlament anbinden zu wollen. Die langfristi­ge Standortfr­age ist noch offen, der derzeitige Platz von 750 Quadratmet­ern in der Neuen Burg reicht nur für die erste Eröffnungs­ausstellun­g: „Aufbruch ins Ungewisse – Österreich seit 1918“ist ab Samstag zu sehen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria