Die Presse

Ein alter Meister und frische, junge Stimmen

Der Bach-Zyklus des Konzerthau­ses konfrontie­rte Musikfreun­de wieder mit kaum je gespielten Kantaten.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Zwei Drittel des großen Vorhabens sind bewältigt. Wer hätte das gedacht, als der Bariton Georg Nigl vor Jahren einen Konzerthau­s-Zyklus avisierte, in dessen Rahmen Johann Sebastian Bachs gesamtes überliefer­tes Kantatenwe­rk vorgestell­t werden sollte? An die 200 von den angeblich 300 Kirchenkan­taten, die dieser Komponist in unglaublic­h knapper Zeit geschaffen hat, sind erhalten geblieben. Mehr als 120 hat man dank des ehrgeizige­n Projekts bereits live hören können.

Und die Wiener Musikfreun­de sind nach wie vor neugierig auf jede einzelne der Fortsetzun­gen. Am Montag war Folge 31 das barocke Kontrastpr­ogramm zu „Wien modern“: Wieder ein Abend mit vier Werken, immerhin drei davon Erstauffüh­rungen im Konzerthau­s.

Nur „Jesu meine Seele“(BWV 78) mit dem herzerfris­chenden Duett der beiden Frauen, die ihrem Erlöser „mit freudigen Schritten“zu Hilfe eilen, war schon in der Eröffnungs­saison des Hauses in einem Konzert des legendären Bach-Interprete­n der Mahler-Ära, Siegfried Ochs, zu hören. Im Übrigen bewahrheit­et sich von Station zu Station in diesem Zyklus, dass es von Bach offenkundi­g wirklich keine uninspirie­rte Note zu geben scheint. Von Arie zu Arie, ja sogar von Rezitativ zu Rezitativ staunt man über den Erfindungs­reichtum und die Fantasie, mit der die beschaulic­hen Texte bilderreic­h zu akustische­m Leben erweckt werden.

Mit Johannes Hiemetsber­gers Company of Music und dem von Luca Pianca geleiteten Ensemble Claudiana standen wieder animierte Choristen und Instrument­alisten zur Verfügung, um in durchaus unaufgereg­t-gemessenen, aber fein austariert­en Interpreta­tionen die Details der Kompositio­nen auszuloten.

Nicht nur für Georg Nigls hellen, ausdrucksv­ollen Bariton war also der Klangteppi­ch ausgebreit­et, wobei auch manche Instrument­alsoli hören ließen, auf welch virtuose Kräfte der Thomaskant­or einst setzen konnte: die Flötengirl­anden, die Reinhard Czasch in „Was Gott tut, das ist wohlgetan“(BWV 99) modelliert­e, beispielsw­eise oder die expressive­n Kantilenen von Paolo Grazzis Oboe d’amore.

Nebst dem herbfrisch­en Sopran He-´ lene` Le Corres, einer der tragenden Säulen des zyklischen Projekts, machten diesmal zwei junge österreich­ische Sänger auf sich aufmerksam: als „Great Talent“dieser Konzerthau­s-Saison die mit satter, ausdrucksv­oller Stimme begabte Altistin Sophie Rennert und mit agiler Linienführ­ung der licht timbrierte Tenor von Johannes Bamberger, der schon beim Barockfest­ival Melk und im Theater an der Wien aufgefalle­n ist.

Der Bach-Zyklus wird am 10. Dezember von der Chapelle Rhenane´ fortgesetz­t, zum Advent gibt es drei der populärste­n Kantaten des Meisters, „Wachet auf, ruft uns die Stimme“, „Schwingt freudig auch empor“und „Nun komm, der Heiden Heiland“.

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