Ein alter Meister und frische, junge Stimmen
Der Bach-Zyklus des Konzerthauses konfrontierte Musikfreunde wieder mit kaum je gespielten Kantaten.
Zwei Drittel des großen Vorhabens sind bewältigt. Wer hätte das gedacht, als der Bariton Georg Nigl vor Jahren einen Konzerthaus-Zyklus avisierte, in dessen Rahmen Johann Sebastian Bachs gesamtes überliefertes Kantatenwerk vorgestellt werden sollte? An die 200 von den angeblich 300 Kirchenkantaten, die dieser Komponist in unglaublich knapper Zeit geschaffen hat, sind erhalten geblieben. Mehr als 120 hat man dank des ehrgeizigen Projekts bereits live hören können.
Und die Wiener Musikfreunde sind nach wie vor neugierig auf jede einzelne der Fortsetzungen. Am Montag war Folge 31 das barocke Kontrastprogramm zu „Wien modern“: Wieder ein Abend mit vier Werken, immerhin drei davon Erstaufführungen im Konzerthaus.
Nur „Jesu meine Seele“(BWV 78) mit dem herzerfrischenden Duett der beiden Frauen, die ihrem Erlöser „mit freudigen Schritten“zu Hilfe eilen, war schon in der Eröffnungssaison des Hauses in einem Konzert des legendären Bach-Interpreten der Mahler-Ära, Siegfried Ochs, zu hören. Im Übrigen bewahrheitet sich von Station zu Station in diesem Zyklus, dass es von Bach offenkundig wirklich keine uninspirierte Note zu geben scheint. Von Arie zu Arie, ja sogar von Rezitativ zu Rezitativ staunt man über den Erfindungsreichtum und die Fantasie, mit der die beschaulichen Texte bilderreich zu akustischem Leben erweckt werden.
Mit Johannes Hiemetsbergers Company of Music und dem von Luca Pianca geleiteten Ensemble Claudiana standen wieder animierte Choristen und Instrumentalisten zur Verfügung, um in durchaus unaufgeregt-gemessenen, aber fein austarierten Interpretationen die Details der Kompositionen auszuloten.
Nicht nur für Georg Nigls hellen, ausdrucksvollen Bariton war also der Klangteppich ausgebreitet, wobei auch manche Instrumentalsoli hören ließen, auf welch virtuose Kräfte der Thomaskantor einst setzen konnte: die Flötengirlanden, die Reinhard Czasch in „Was Gott tut, das ist wohlgetan“(BWV 99) modellierte, beispielsweise oder die expressiven Kantilenen von Paolo Grazzis Oboe d’amore.
Nebst dem herbfrischen Sopran He-´ lene` Le Corres, einer der tragenden Säulen des zyklischen Projekts, machten diesmal zwei junge österreichische Sänger auf sich aufmerksam: als „Great Talent“dieser Konzerthaus-Saison die mit satter, ausdrucksvoller Stimme begabte Altistin Sophie Rennert und mit agiler Linienführung der licht timbrierte Tenor von Johannes Bamberger, der schon beim Barockfestival Melk und im Theater an der Wien aufgefallen ist.
Der Bach-Zyklus wird am 10. Dezember von der Chapelle Rhenane´ fortgesetzt, zum Advent gibt es drei der populärsten Kantaten des Meisters, „Wachet auf, ruft uns die Stimme“, „Schwingt freudig auch empor“und „Nun komm, der Heiden Heiland“.