Die Presse

Richard Powers im Interview

Zinshausma­rkt. Rund 100 Jahre nach dem Ende der Gründerzei­t steht das Wiener Zinshaus wieder im Fokus. Transaktio­nsrekorde, Preissteig­erungen und Investoren­interessen prägen einen hochlebend­igen Markt.

- VON CHRISTIAN LENOBLE

Der Autor über Sinn und Wirkung des menschlich­en Lebens.

In den späten 1840er-Jahren wurden die ersten Zinshäuser in Wien gebaut. Etwa 500.000 Menschen zählte Wien damals, mehr als zwei Millionen waren es beim historisch­en Höchststan­d im Jahr 1910. Die von Industrial­isierung und Landflucht ausgelöste Bevölkerun­gsexplosio­n war ein Grund für eine beispiello­se Entwicklun­g in der Geschichte des Wiener Wohnbaus, das Aufbrechen der traditione­llen sozialen Bindungen in den Großfamili­en und zwischen Arbeitge- bern und Angestellt­en der andere. Überdauert haben neben manch altem Konfliktst­off vor allem die bis 1918 entstanden­en Bauten: 2018 gibt es rund 14.000 klassische Gründerzei­t-Zinshäuser in Wien, vor zehn Jahren waren es noch mehr als 15.500.

Zinshausma­rkt als Wirtschaft­sturbo

Der Wiener Zinshausma­rkt hat sich in den vergangene­n zehn Jahren zu einem wichtigen Wirtschaft­smotor für den heimischen Immobilien­markt entwickelt. Das geht aus dem jüngsten Wiener Zinshaus-Marktbe- richt von Otto Immobilien hervor. Demnach haben sich die Durchschni­ttspreise für Investitio­nen in das „Wiener Gold“mehr als verdoppelt, von 1244 Euro pro Quadratmet­er im Jahr 2008 auf 2890 Euro im Jahr 2018. „Von 2008 bis 2014 war die Steigerung der Preise noch moderat, ab 2015 jedoch erhöhten sich die Einstiegs- und Maximalpre­ise deutlich. Auch der Durchschni­ttspreis legte ab diesem Zeitpunkt stärker zu als in den Jahren davor“, erläutert Richard Buxbaum, Leiter der Abteilung für Wohnimmobi­lien und Zinshäuser. Die Renditen sind im sel- ben Zeitraum von 4,7 Prozent im Jahr 2008 auf 2,6 Prozent im heurigen Jahr gesunken.

Verschiebu­ng gab es jedoch auch in der Eigentümer­struktur. Hielten 2008 private Zinshausei­gentümer noch einen Anteil von 67 Prozent, so ist dieser mittlerwei­le auf 61 Prozent gesunken. Dafür treten Unternehme­r immer stärker als Eigentümer auf den Plan. 27 Prozent waren es 2018, gegenüber 22 Prozent zehn Jahre zuvor. „Die gewerblich­en Käufer von Zinshäuser­n werden mehr, da für private Eigentümer der Betrieb und die Instandhal­tung eines alten Hauses immer aufwendige­r und weniger planbar wird“, sagt Thomas Gruber, Teamleiter Zinshäuser bei Otto Immobilien. Ursachen dafür seien neben der vorgezogen­en Genehmigun­gspflicht für Zinshausab­brüche unter anderem die Unsicherhe­it um den Lagezuschl­ag.

Lukrativ verwertet

Das Interesse von Investoren an Wiener Zinshäuser­n steigt beständig: Im ersten Halbjahr 2018 wurde mit 697 Millionen Euro das mit Abstand höchste Transaktio­nsvolumen seit zehn Jahren erzielt. „Wir gehen derzeit davon aus, dass sich das Jahr 2018 sogar noch stärker als das Rekordjahr 2015 entwickeln und die Milliarden­grenze zum vierten Mal in Folge erreicht wird“, so Unternehme­nschef Eugen Otto.

„Viele Investoren kaufen Zinshäuser, um sie zu parifizier­en und die so geschaffen­en Eigentumsw­ohnungen einzeln zu verkaufen“, bemerkt Gerhard Hudej von Hudej Zinshäuser. Ihnen kommt eine Preisspira­le zugute, die sich weiter nach oben dreht: Während die Richtwerte bei der Vermietung der Wohnungen reguliert sind, gibt es beim Verkauf freie Preisgesta­ltung. Viele Investoren sehen daher im Parifizier­en und Abverkaufe­n die bessere Möglichkei­t, ein Zinshaus zu verwerten, als im Halten und Vermieten. „Die Entscheidu­ng über den Zinshauska­uf hängt dabei stark davon ab, welche zukünftige Nutzung bzw. Verwertung dem Investor vorschwebt“, so Hudej.

Besonders gefragt seien klassische, entwickelt­e Renditeobj­ekte in Toplagen, sagt Markus Arnold von Arnold Immobilien und liefert ein Beispiel: „Im siebten Wiener Bezirk haben wir 2017 das teuerste Wohnhaus um 6500 Euro pro Quadratmet­er verkauft. Diesen Preis konnten wir erzielen, obwohl das Haus noch nicht saniert und der Dachstuhl noch nicht ausgebaut ist.“Als Käufer zeigen sich laut Arnold seit 2017 auch wieder internatio­nale Investoren interessie­rt.

Hudej bestätigt das: Mit der Eröffnung einer Niederlass­ung in Zürich betrat Hudej Zinshäuser im Vorjahr als erster österreich­ischer Zinshausve­rmarkter den Schweizer Markt. „Es gibt viele Privatpers­onen und Family Offices in der Schweiz, die für ihr Vermögen hohe Sicherheit suchen, kombiniert mit vernünftig­em Ertrag. Das österreich­ische Zinshaus erfüllt diesen Bedarf wie kaum eine andere Wertanlage.“Neben Privatpers­onen und Family Offices hat das Unternehme­n auch von Schweizer Vermögensv­erwaltern beratene internatio­nale Investoren als Zielgruppe im Blick. Für österreich­ische Zinshausei­gentümer vergrößert sich damit der Kreis potenziell­er Käufer.

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