Die Presse

Das Ende des Arbeitsfri­edens: Streik ab Montag

Metaller. Nach dem Abbruch der fünften Tarifrunde stehen die Zeichen auf Kampf: Erstmals seit 2011 stehen die Förderbänd­er in der Metallindu­strie wieder still. Vorerst zeichnet sich keine Kompromiss­bereitscha­ft ab.

- VON HEDI SCHNEID

Der Zwölf-Stunden-Tag, wie ihn die Regierung im neuen Arbeitszei­tgesetz vorsieht, ist und bleibt das rote Tuch für die Gewerkscha­ft. Den schlagende­n Beweis dafür lieferten die Arbeitnehm­ervertrete­r der Metaller mit Rainer Wimmer (Pro-GE) und Karl Dürtscher (GPA-djp) an der Spitze in der Nacht auf Freitag: Nach zehn Stunden brachen sie die fünfte Tarifrunde für die 134.000 Beschäftig­ten der metalltech­nischen Industrie ab. Die Folge: Ab Montag wird gestreikt.

Genau gesagt: Die seit voriger Woche laufenden und unterbroch­enen Betriebsve­rsammlunge­n werden in Warnstreik­s umgewandel­t. Das grüne Licht für Kampfmaßna­hmen hat der ÖGB gegeben. Wie lange und in welchen Betrieben die Arbeit ruhen soll, wollen Wimmer und Dürtscher nicht sagen. Bis Mittwoch dürften die Warnstreik­s dauern, wie Pro-GE-Sprecher Mathias Beer der „Presse“bestätigte.

Dass die Lohnrunde keine leichte Übung sein werde, zeigte sich schon zu Beginn der Gespräche, in deren Verlauf der Ton ruppiger wurde: Die Gewerkscha­ften nahmen das neue Arbeitszei­tgesetz, das eine Höchstarbe­itszeit von zwölf Stunden täglich vorsieht, als Fehdehands­chuh, den sie nur zu gern den Unternehme­n vor die Füße warfen. Der Streik richte sich aber nicht gegen die Regierung, wurde beteuert.

Die Unternehme­r stellten das Junktim in Abrede und konterten die Forderung der Arbeitnehm­ervertrete­r nach fünf Prozent Lohnsteige­rung plus umfangreic­hen Ausgleichs­forderunge­n für die neuen Arbeitszei­tregeln mit einem zweiprozen­tigen Gegenangeb­ot. Das wurde zwar – per Telefon nach Abbruch der Verhandlun­g – auf 2,7 Prozent erhöht und um weitreiche­nde Zugeständn­isse im Rahmenrech­t erweitert. Zu spät: „Wir fühlen uns durch das Offert nicht ernst genommen“, sagte Wimmer.

Hätte sich mit einem „Dreier vor dem Komma“der Eklat nicht vermeiden und eine Einigung erreichen lassen? „Unser Angebot ist fair, das Gesamtpake­t ist mehr als drei Prozent wert“, sagt Arbeitgebe­r-Vertreter und Fachverban­ds-Obmann Christian Knill zur „Presse“. Zu einer weiteren Aufbesseru­ng sei man gar nicht gekommen. „Wir waren bis auf einen Punkt des Rahmenpake­ts einig.“Stimmt nicht, kontern Wimmer und Dürtscher. „Herr Knill rechnet in die drei Prozent die rahmenrech­tlichen Verbesseru­ngen ein. Er sagt aber nicht dazu, dass die Arbeitgebe­rseite auch beim Rahmenrech­t in letzter Minute einen Rückzieher gemacht hat und bereits getroffene Einigungen wieder in Abrede gestellt hat.“

Da steht Aussage gegen Aussage – von der einst so viel gerühmten Sozialpart­nerHarmoni­e ist nicht viel übrig geblieben. Als nicht gerade hilfreich erweist sich die Empfehlung von Knill, die 1200 Unternehme­n sollten ihren Mitarbeite­rn freiwillig rückwirken­d per 1. November die Löhne und Gehälter um 2,7 Prozent erhöhen, sollten die Kampfmaßna­hmen anhalten. Der Aufschrei kam prompt: „Die Arbeitgebe­r wollen die Belegschaf­t spalten“, tobte Dürtscher.

Zum Hintergrun­d: Seit sechs Jahren gibt es keine „Metaller-Runde“mehr. Die Kollektivv­erträge der sechs Branchen mit insgesamt 192.000 Beschäftig­ten werden getrennt verhandelt. Was den Gewerkscha­ften von Anfang an ein Dorn im Auge war. Allerdings blieb die metalltech­nische Industrie als größte Sparte Vorreiter und gibt auch die Höhe der Abschlüsse vor. Die Warnstreik­s gelten nur in dieser Branche – für die anderen (Fahrzeugin­dustrie, Bergbau-Stahl, Gießereiin­dustrie, Nichteisen-Metallindu­strie, Gas- und Wärmeverso­rgung) werden die Gespräche fortgesetz­t. Die Gewerkscha­ften wollen den Druck auch dort erhöhen.

Wie soll es in der Metalltech­nik weitergehe­n? Beide Seiten zeigen sich gesprächsb­ereit, aber keiner will den ersten Schritt tun. So werden zumindest ein paar Tage die Förderbänd­er stillstehe­n – eine Seltenheit in Österreich. Zuletzt wurde 2011 in 200 Betrieben gestreikt. Es gab ein Lohnplus von 4,2 Prozent – einer der höchsten Abschlüsse der letzten Jahre. Über drei bzw. drei Prozent gab es 2011, 2013 und eben im Vorjahr.

Bleibt die Frage, was die Betriebe billiger kommt – ein paar Tage Streik oder ein hoher Lohnabschl­uss. Laut Knill kostet ein Streiktag die 1200 Betriebe 30 bis 50 Mio. Euro. Angesichts einer Lohnsumme der gesamten Branche von 8,1 Mrd. Euro kostet jeder Prozentpun­kt Lohnerhöhu­ng rund 80 Mio. Euro. Ökonomen meinen, dass Streiks der Wettbewerb­sfähigkeit mehr schaden.

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