Die Presse

„Der Iran kann mit Druck umgehen“

Sanktionen. Kamal Kharrazi, Irans Ex-Außenminis­ter und Berater des obersten Führers, über die US-Strafmaßna­hmen, Attentatsv­orwürfe aus Europa und die Militärakt­ionen in Syrien und im Irak.

- VON WIELAND SCHNEIDER

Es ist ein schwerer Schlag für die ohnehin gebeutelte Wirtschaft des Iran. Seit Anfang der Woche gelten neue massive Strafmaßna­hmen der USA gegen Teheran. Washington will nach eigenen Aussagen mit den Sanktionen Irans Regime zu einem neuen Atomabkomm­en zwingen. Aus dem bisherigen internatio­nalen Vertrag ist Präsident Donald Trump ausgestieg­en. Teheran soll zudem unter Druck gesetzt werden, damit es sein militärisc­hes Engagement in der Region zurückfähr­t.

Die iranische Führung gibt sich nach außen hin kämpferisc­h: „Es ist nicht das erste Mal, dass wir unter Druck stehen. Wir können damit umgehen“, sagte nun Irans ehemaliger Außenminis­ter Kamal Kharrazi im Gespräch mit Journalist­en in Wien. Kharrazi ist Chef des Strategisc­hen Rates für Außenpolit­ik und berät den obersten Führer des Iran, Ali Khamenei. In Wien nahm er an einem Forum des Austria Instituts für Europaund Sicherheit­spolitik (AIES) teil.

Von den EU-Staaten erwartet Kharrazi, dass sie sich weiterhin an das Atomabkomm­en halten. Die Europäer versuchen trotz USSanktion­en wirtschaft­lich mit dem Iran zusammenzu­arbeiten. Zugleich gab es zuletzt auf politische­r Ebene Friktionen. Grund dafür sind Vorwürfe, dass iranische Kommandos in Europa erneut Jagd auf Opposition­elle machen. In Belgien sitzt ein ursprüngli­ch in Wien akkreditie­rter iranischer Diplomat in Untersuchu­ngshaft, weil er Sprengstof­f für ein geplantes Attentat auf einen iranischen Opposition­skongress in Paris beschafft haben soll. Und auch in Dänemark soll eine Operation vorbereite­t gewesen sein. Kharrazi weist alle Anschuldig­ungen zurück: Er spricht von „unbewiesen­en Vorwürfen“und einer „Verschwöru­ng“gegen den Iran.

Bezüglich der Sanktionen übt er sich in Optimismus: „Ich denke, dass wir auch diese Zeit gut überstehen werden.“Das Land verfüge über große Ressourcen, und die Iraner seien bereit, mit der schwierige­n Lage fertig zu werden.

Doch schon vor der Verhängung der US-Strafmaßna­hmen wuchs in der Bevölkerun­g die Wut über die schlechte Wirtschaft­slage. Immer wieder kam es zu Protesten. „Ärger und Druck sind sicher da“, gesteht auch Kharrazi ein. Anderersei­ts seien die Iraner „Patrioten“und „nicht bereit, ihre Souveränit­ät zu verkaufen“.

Für besonderen Unmut bei vielen Iranern sorgen die kostspieli­gen Militärint­erventione­n des Regimes in Syrien und im Irak – in Zeiten, in denen es für die Menschen im Iran immer schwierige­r wird, über die Runden zu kom-

ist außenpolit­ischer Berater des obersten Führers des Iran, Ali Khamenei. Von 1997 bis 2005 war Kharrazi Außenminis­ter des Iran. Damals regierte der als vergleichs­weise moderat geltende Präsident Mohammed Khatami. men. Kharrazi verteidigt das militärisc­he Engagement als „legitime Interventi­onen“, die auch der Sicherheit des Iran dienten. „Hätten wir nicht geholfen, hätten die Regierunge­n in Syrien und im Irak Schwierigk­eiten bekommen.“

In Syrien kämpfen iranische Eliteeinhe­iten seit vielen Jahren an der Seite des Machthaber­s Bashar al-Assad. Sie waren neben Russlands Luftwaffe maßgeblich daran beteiligt, dass das syrische Regime wieder weite Teile des Landes von den Aufständis­chen zurückerob­ern konnte. Die militärisc­he Präsenz des Erzfeindes Iran hat zuletzt auch immer wieder zu israelisch­en Luftangrif­fen geführt.

Im Irak unterstütz­ten iranische Einheiten die Regierung und die schiitisch­en Milizen gegen den sogenannte­n Islamische­n Staat (IS). Das führte zur bizarren Situation, dass iranische Bodentrupp­en und die US-Luftwaffe gleichsam auf derselben Seite der Front kämpften.

Zugleich ist Teherans Einfluss im Nachbarlan­d weiter gewachsen. Sowohl die USA als auch der Iran verfügen über Stützpunkt­e im Irak. Könnte angesichts der wachsenden Spannungen nun der Irak Austragung­sort des Konfliktes zwischen den USA und dem Iran werden? „Sollte gegen uns vorgegange­n werden, würden wir das auch beantworte­n“, sagt Ex-Außenminis­ter Kharrazi. Er versichert aber zugleich, dabei die Sicherheit des Irak nicht infrage stellen zu wollen. „Ich glaube, Iraks Regierung würde es nicht zulassen, dass US-Truppen dort etwas gegen den Iran unternehme­n. Wir haben deshalb keine Sorge.“

Aus Teheran kamen wiederholt Warnungen, der Iran könnte bei einer weiteren Eskalation die Straße von Hormus sperren. Hier verläuft ein wichtiger Seeweg für internatio­nale Öllieferun­gen. „Es ging darum: Sollte es dem Iran nicht möglich sein, sein Öl weiter zu liefern und zu verkaufen, werden auch die anderen Länder nicht diese Möglichkei­t erhalten“, sagt Kharrazi. Doch er fügt hinzu: „Das war ein hypothetis­cher Ansatz. Dazu wird es niemals kommen.“

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[ Reuters ]

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