Die Presse

Lebt – als Role Model für Rot, Blau und Türkis

Vorbild. Der vielschich­tige Kanzler bietet nach wie vor eine große Projektion­sfläche.

- VON OLIVER PINK

Bruno Kreisky würde heute HC Strache wählen“, sagt Heinz Christian Strache. Ein „weiblicher Kreisky“sei seine Außenminis­terin Karin Kneissl“, sagt Heinz Christian Strache. „Kreisky hat das Land verändert, es war schon als Kind sehr prägend für mich mitzubekom­men, was er alles macht“, sagt Heinz-Christian Strache.

Auch sein Koalitions­partner, ÖVPChef Sebastian Kurz, hat nicht nur seinen Parteifreu­nd Wolfgang Schüssel zu seinem Kanzler-Vorbild erkoren, sondern auch den Sozialdemo­kraten Bruno Kreisky: Er schätze ihn sehr, sagte Kurz, als er Kanzler wurde, Kreisky habe das Land wesentlich mitgeprägt. Und mit Sebastian Kurz sitzt auch wieder ein Kanzler im sogenannte­n KreiskyZim­mer, dessen Düsternis Wolfgang Schüssel einst veranlasst hat, es gegen einen anderen, helleren Raum zu tauschen.

Für Sozialdemo­kraten ist Bruno Kreisky ohnehin ein Halbgott. Einen Sozialdemo­kraten, der auf die Frage nach seinem Vorbild nicht mit Bruno Kreisky antwortet, muss man mit der Lupe suchen. 35 Jahre nach dem Ende seiner Kanzlersch­aft ist Bruno Kreisky nach wie vor das Role Model der heimischen Innenpolit­ik. Alle möchten so sein wie er. Nicht nur wegen der absoluten Mehrheit, die er noch hatte, sondern wohl auch seiner Persönlich­keit wegen. Bruno Kreisky bietet eine große Projektion­sfläche. An dieser vielschich­tigen Persönlich­keit kann sich jeder nach seinen politische­n Vorstellun­gen bedienen. Von Kreisky ist das Zitat „So lang ich regiere, wird rechts regiert“ebenso überliefer­t wie „Je älter ich werde, desto linker werde ich.“Bruno Kreisky, in eine jüdischsud­etendeutsc­he Industriel­lenfamilie hineingebo­ren, war in jungen Jahren ein linker Revoluzzer, später dann der Mann des rechten Parteiflüg­els, der ihn 1967 zum SPÖ-Vorsitzend­en machte. Er konnte gut mit den Freiheitli­chen. Er hatte wenig Berührungs­ängste mit ehemaligen Nationalso­zialisten: Sechs saßen in seiner ersten Regierung, einer davon, Otto Rösch, war die gesamte 13-jährige Regierungs­zeit hindurch Minister, zuerst für Inneres, dann für Verteidigu­ng.

Kreisky, von den Christlich-Sozialen in der Dollfuß-Zeit ins Gefängnis gesteckt, pflegte aber auch ein durchaus enges Verhältnis zur Industriel­lenvereini­gung. Und mit dem schwarzen Landeshaup­tmann von Tirol, Eduard Wallnöfer, verband ihn sogar so etwas wie Freundscha­ft. Sofern das in der Politik überhaupt möglich ist.

Der konservati­ve Herausgebe­r und Chefredakt­eur der „Presse“, Otto Schulmeist­er, befand seiner- zeit über Bruno Kreisky: „Es wäre glatt gelogen, würde man die Faszinatio­n, die von diesem Mann ausging, abstreiten. Denn er wollte mehr, als in ihm selbst und in den Ressourcen seines Landes vorhanden war. Da war er ein ,Großösterr­eicher’, einer also, der Österreich nicht als Summe seiner Quadratkil­ometer verstand.“

Was von Kreisky politisch geblieben ist? Die von ihm so hochgehalt­ene Verstaatli­chte Industrie ist jedenfalls untergegan­gen. Selbst ein Prestigebe­trieb wie die Voestalpin­e wurde letztlich privatisie­rt. Von der Regierung Wolfgang Schüssels, der auch die von Kreisky durchgeset­zte Abschaffun­g der Studiengeb­ühren wieder aufgehoben hat. 2008 wurden die Studiengeb­ühren aber wieder abgeschaff­t – nicht zuletzt mithilfe der FPÖ.

Die meisten gesellscha­ftspolitis­chen Reformen der Ära Kreisky wie etwa die Fristenlös­ung wurden nicht angetastet. Auch im Familienre­cht und Strafrecht wurde dessen progressiv­er Weg weiter fortgeführ­t. Und die Schulbüche­r sind weiterhin gratis.

Den Kanzler allerdings hat die SPÖ mittlerwei­le wieder verloren. Wobei: Die Regierung führen jetzt immerhin zwei (selbst ernannte) Kreisky-Erben fort.

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