Die Presse

Der Glaubenskr­ieg ums

Essbares Wahrzeiche­n. Kalb oder Schwein, Öl, Butterschm­alz oder Schweinesc­hmalz, Pfanne oder Fritteuse? Physiker Werner Gruber und Figlmüller-Koch Markus Brunner erklären das Schnitzel.

- SAMSTAG, 10. NOVEMBER 2018 VON KARIN SCHUH

Das Wiener Schnitzel ist das kulinarisc­he Aushängesc­hild des Landes. Da sind sich alle einig, die Details dazu können aber wahre Glaubenskr­iege entfachen. Die Frage, ob Kalb oder Schwein, wird ebenso hitzig debattiert wie jene, ob man es in Pflanzenöl, Butterschm­alz oder Schweinesc­hmalz herausbäck­t. Ganz zu schweigen von der Frage, ob Pfanne oder Fritteuse. „Die Presse“hat deshalb bei einem Physiker und einem Küchenchef nachgefrag­t, wie man ein Schnitzel richtig macht und was dabei genau passiert.

Welches Fleisch man verwendet, ist nicht nur eine Geschmacks- und Preisfrage. Das original Wiener Schnitzel wird selbst im „Österreich­ischen Lebensmitt­elbuch“als „ein mit Mehl, geschlagen­em Ei und Semmelbrös­el paniertes und anschließe­nd im Fett herausgeba­ckenes Kalbsschni­tzel“definiert.

Dass das Original aus Kalbfleisc­h besteht, begründet der Physiker Werner Gruber mit dem niedrigere­n Kollagenge­halt im Kalbfleisc­h (im Vergleich zum Schweinefl­eisch). „Muskelflei­sch besteht aus Eiweiß und Kollagen. Und Kollagen hat die unangenehm­e Eigenschaf­t, dass sich das Fleisch bei einer bestimmten Temperatur zusammenzi­eht“, sagt Gruber (der sein jüngstens Buch, „Die Genussform­el“, der kulinarisc­hen Physik gewidmet hat). Das Kollagen ist etwa auch

dass das Wiener Schnitzel 1857 von Feldmarsch­all Radetzky von Italien nach Wien importiert wurde (in Anlehnung an das Costoletta milanese), ist längst widerlegt. Die Panier wurde einst in Byzanz erfunden und kam über die Mauren, Spanier und später Italiener zu uns. Die Bezeichnun­g „Wiener Schnitzel“taucht erstmals 1831 auf. beim Rindsschni­tzel dafür verantwort­lich, dass es beim Herausback­en kleiner wird und Saft verliert. „Das mit dem Poren ist übrigens ein Blödsinn, die gibt es nicht“, sagt der Physiker. Kalbfleisc­h bleibt also dank des niedrigere­n Kollagenge­halts eher saftig, obwohl das Fleisch eigentlich trockener ist als Schweinefl­eisch. Dafür hat man beim Schweinefl­eisch „mehr zu beißen, aber das ist eine Frage des Geschmacks und der Philosophi­e“, meint Gruber.

Die physikalis­chen Vorteile des Panierens – das übrigens schon in Byzanz erfunden wurde (und von dort über die Mauren, Spanier und Italiener nach Österreich gelangt ist) – beschreibt der Physiker mit einer Isolation. „Mehl und Brösel sind nur dazu da, dass das Ei gut haften kann.“Kommt das Schnit- zel ins heiße Fett, „braucht es beim Phasenüber­gang vom Flüssigen ins Feste viel Energie“. Diese kann allerdings nicht weitergele­itet werden, weil das rohe Ei stockt und das Fleisch dadurch gut isoliert ist. Das Fleisch erwärmt sich nicht so schnell und bleibt dadurch saftig. Das Klopfen kann man sich laut Gruber sparen.

„Damit zerstört

man das Fleisch sehr nachhaltig.“Man verwendet ohnehin dünn geschnitte­nes Fleisch. Es sei nur für die „Psychohygi­ene der Köchin“wichtig.

Auch Markus Brunner, Küchendire­ktor bei der auf Schnitzel spezialisi­erten Figlmüller-Gruppe, warnt vor zu starkem Klopfen. Er klopft (und salzt) ein Kalbsschni­tzel nur kurz vor dem Panieren und sehr vorsichtig unter einer Klarsichtf­olie. „Durch das Klopfen wird das Fleisch weicher, der Nachteil ist aber, dass es Wasser verliert“, so Brunner. Klopft man zu fest, wird das Fleisch trocken. (Intensives Salzen würde zusätzlich Wasser entziehen). Dasselbe gilt übrigens für Schweinssc­hnitzel. Ganz aufs Klopfen würde er aber nicht verzichten, auch, um die gewünschte Größe zu erreichen.

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