Die Presse

„Schwächen machen Helden erst menschlich“

Sportkultu­r? Österreich liebt Sieger, jammert aber bei Misserfolg­en sehr schnell – lässt Stars sogar fallen. ExSkisprun­gtrainer Alexander Pointner über Helden, deren trügerisch­e Verklärung.

- VON MARKKU DATLER

Die Presse: Österreich liebt Helden über alles. Sieger, ob Skifahrer, Skispringe­r oder Fußballer, werden über alles verehrt. Wie erklären Sie sich dieses Phänomen? Alexander Pointner: Das muss man richtig einordnen, denn alles im Leben ist relativ. Wer sind Kinder beim Laternenfe­st? Sportler, denen Wertschätz­ung widerfährt, weil sie einen Sieg gefeiert haben? Wer eine besondere Leistung bringt, auf den schaut die Ge- sellschaft eben mehr, noch viel genauer hin. Eine besondere Person im öffentlich­en Leben wird man, wenn Sie so wollen, ein Held, weil die erbrachte Leistung für alle anderen unerreichb­ar scheint. Diese Bewunderun­g führt zur Identifika­tion, und es entsteht daraus diese Nähe. Denn jeder Held hat auch seine Fans.

Ist es bloß moderne Verklärung, oder hat sich die Wahrnehmun­g von Ausnahmekö­nnern bzw. Helden zuletzt intensivie­rt? Es wird öfter so wahrgenomm­en, ja. Egal, ob Musik, Politik, Kunst oder Sport: Der besondere Fokus zeigt eine neue, intensiver gelebte Nähe. Früher gab es auch Sieger und Stars, keine Frage. In der Gegenwart hat man sie aber dank Social Media, Internet und Medien rund um die Uhr vor Augen. Denjenigen, den man anhimmelt, findet man immer und überall. Da kann der emotionale Eindruck schon weitaus stärker erwachsen, derjenige sei etwas Besonderes.

Der Umgang mit diesem Status, dessen Bewahrung, verlangt aber viel Rückhalt. Nicht umsonst heben doch so viele ab. Ich habe dazu immer eine Aussage von Toni Innauer im Ohr: „Wenn ein Sportler bisserl Erfolg hat, wird es für manche schon sehr schwer, die Bodenhaftu­ng zu bewahren.“Weil diese Bewunderun­g in der Gegenwart auf verschiede­nsten Kanälen hochgespie­lt und breitgetre­ten wird, ist es noch viel schwierige­r geworden, mit dem Erfolg umzugehen. Der Sportler läuft parallel dazu Gefahr, es nicht mehr zu verdauen, sprich die Realität zu übersehen. Manch einer hält sich dann für den Mittelpunk­t der Erde.

Verstärkt der Umstand, dass Österreich so klein ist, diesen Kult? Es gibt ja nicht so viele, die echten Weltruhm genießen. In Österreich sicher, unbestritt­en. Es ist ein kleines Land, es gibt nicht so viele Sieger und große Erfolge, dadurch wird dieses Phänomen auch bedingt. Aber, seien wir doch froh, dass wir Möglichkei­ten haben, Ausnahmekö­nner fördern zu können. Geld, Know-how, Ausbildung – und wir können gewisse Sachen auch sehr gut, obwohl die globale Bedeutung eher limitiert ist.

Sie sprechen jetzt vom Skifahren, oder? Wir kreieren sehr schnell Helden und glauben an diese Bedeutung. Aber, in welcher Sparte hält er sich auf? Ski fahren, Ski springen – das machen doch nur sehr wenige weltweit. Der Rest der Welt weiß gar nicht, dass es diesen Sport überhaupt gibt. Es gibt so viele Blickwinke­l. Doch manche Sportler sind eben auch schon mit ihrer Minimalpop­ularität sehr zufrieden.

Österreich­er jammern Leistungen auch sehr gern sehr schnell schlecht. Warum? Ja, über dieses Kabarett. Es gibt Maßeinheit­en. „Jam“: für Jam- schließt man risch aus, dass man zum Helden gibt es sogar ein darin diverse Eine hieß mern. Zuerst doch kategodie Person die gemacht hat, Schwächen haben könnte. Aber, bleiben Erfolge aus, schwenkt das Pendel schnell um – ich weiß sehr genau, wovon ich da spreche, ich erinnere an die Ära der „Superadler“. Nicht nur in Österreich führt diese Schwankung dazu, dass dann der eigene Held (Beispiel: Toni Polster) sogar lächerlich gemacht wird. Verurteilt von jenen, die ihn zuvor angebetet haben. Schwächen werden oft übersehen, dienen Kritikern dann aber als probates Hilfsmitte­l für die Demontage.

Kehrt der gefallene Star aber siegreich zurück, womöglich nach schweren Verletzung­en oder Schicksals­chlägen, ist Österreich sofort wieder aus dem Häuschen. Das Schwarz-Weiß-Denken ist sehr extrem. Sind Sport oder Showbusine­ss nicht dazu da, um zu unterhalte­n? Es ist kein Schicksals­schlag, wenn man verliert. Oder eine Tragödie. Der Gebrauch solcher Begriffe ist falsch. Wenn man es mit gewissem Abstand betrachtet, weil man nicht mehr Teil dessen ist, sieht man erst die wahre Di- mension. Eine schlechte Leis- tung ist sicher keine Tragödie, man darf diesen Aspekt nie außer Acht lassen oder vergessen. Dass ein genügt, um das Blatt zu wenden, legt auch den schnellleb­igen Umgang damit offen. Dabei sind es womöglich die Schwächen, die Helden erst so richtig menschlich machen.

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