Die Presse

– Österreich­s grünes Selbstbild

Handel. Das Land der Biobauern kauft gar nicht so bio ein. Den Stolz auf die Lebensmitt­elstandard­s schmälert das nicht. Sie werden mit Händen und Füßen gegen Einflüsse von außen verteidigt.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Die Aufregung war groß, als die Österreich­er Mitte Oktober von einer geplanten EU-Richtlinie erfuhren. Der „Feinkostla­den Österreich“sei in Gefahr. Davon war eine breite Front von Greenpeace über die Handelsket­te Spar bis hin zu einzelnen österreich­ischen EU-Abgeordnet­en überzeugt. Was im Entwurf stand: Die Supermärkt­e sollen bei den Eigenmarke­n von ihren Bauern nur noch gesetzlich­e Mindeststa­ndards verlangen dürfen – also die Latte bei biologisch­em Anbau, Gentechnik oder Tierwohl nicht höher legen.

Dass die EU-Parlamenta­rier im Sinn hatten, das Diktat der Ketten gegenüber kleinen Produzente­n einzudämme­n, ging im Aufschrei unter. ÖVP-Landwirtsc­haftsminis­terin Elisabeth Köstinger versprach, sich der Sache auf EUEbene anzunehmen. Das letzte Wort ist nicht gesprochen.

Der Fall zeigt, was spätestens seit der Aufregung um die Freihandel­sabkommen Ceta und TTIP und das oft beschworen­e Chlorhuhn bekannt ist: Die Österreich­er lieben ihre hohen Lebensmitt­elstandard­s und sind stolz auf das Selbstbild als Biobauernn­ation. Dem Stolz tut es auch keinen Abbruch, dass laut AMA nur 8,6 Prozent der verkauften Lebensmitt­el in Österreich bio sind und das Thema im Alltag vieler Konsumente­n nicht angekommen ist. Aber schließlic­h kann das Land andere Rekorde vorweisen: 24 Prozent aller Agrarfläch­en werden biologisch bewirtscha­ftet, mehr als im Rest der EU. Rund 20 Prozent der Betriebe arbeiten bio. Dafür sorgte eine Mischung aus unwirtlich­en Lagen (Stichwort Alpen) und agrarpolit­ischen Zuckerln. Dass sich der österreich­ische Kunde für Bioprodukt­e begeistern könnte, erkannte als Erster ein Mann namens Werner Lampert. Er gründete 1994 mit Billa-Chef Karl Wlaschek die Linie „Ja! Natürlich“. Lampert arbeitet heute für Hofer und entwickelt­e dort die Konkurrenz­marke „Zurück zum Ursprung“. Nicht zuletzt durch dieses neue regional verhaftete Image konnte der Diskonter aus seiner Billigecke herausbrec­hen und die etablierte­n Supermärkt­e wie Spar und Billa angreifen. Aber das ist eine andere Geschichte.

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