Die Presse

In Österreich kann der so richtig hart sein

Wie ist das Landleben? Fragen Sie Elfriede Jelinek oder Josef Winkler.

- VON NORBERT MAYER E-Mails an: norbert.mayer@diepresse.com

Z ugegeben: Die qualifizie­rte Mehrheit der Mitarbeite­r im Gegengift stammt nicht aus Wien, sondern ist aus der Provinz zugezogen. Aus dem Grenzland. Vielleicht ist damit partiell jene Leidenscha­ft zu erklären, die so manche die- ser neuen Hauptstäd- ter für den Heimatro- man entwickelt haben. Sie sitzen in Erdberg, Ot- takring oder Meidling und ergeben sich spätestens nach Einbruch der Dämmerung zumindest lesend der Sehnsucht nach rauen Dorfgeschi­chten. Mit schlechtem Gewissen werden Werke von Peter Rosegger und sogar von Adalbert Stifter verschlung­en. Zur Hochform gelangen diese Entwurzelt­en aber bei robust Rustikalem aus der Gegenwart. In Österreich sind nämlich vor allem neuere Exemplare dieser literarisc­hen Gattung so richtig böse. Wer

die alte Heimat in einem gut besuchten Wiener Cafe´ studiert, fühlt sich bestätigt: Besser ist es, hier in der Fremde zu sein, als im vertrauten Mürztal, in Weng oder gar in Kamering. Derartige Lektüre beginnt optimal mit einem Buch, das tief im Süden des Landes spielt. Ideal bietet sich dafür Gert Jonkes Klassiker „Geometrisc­her Heimatroma­n“an, ehe Josef Winklers Trilogie „Das wilde Kärnten“beackert wird. Sie bereitet auf das Bukolische bei Peter Handke vor, etwa auf „Die Wiederholu­ng“. Danach erinnert man sich leichter daran, wo Maja Haderlaps „Engel des Vergessens“zu Hause ist. Naturgemäß im Bräunerhof wäre Thomas Bernhards härteste Prosa zu lesen, die tief in die Alpen führt, mit seinem Debütroman „Frost“als Pflichtgeg­enstand. Nun sind die Wahlwiener reif für Elfriede Jelineks Heimat-Epos „Die Kinder der Toten“, zumindest für die steirische­n Passagen. Wer jetzt noch raus will aus der Stadt, der sollte nach Mariazell pilgern.

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