Die Presse

Hier trifft sich die Zukunft: Nachts im

Kunst. Die Österreich­er lieben ihre Museen, auch wenn sie gern über sie schimpfen. Neue Aktivitäte­n brachten in den vergangene­n drei, vier Jahren aber auch die Jugend in die Ausstellun­gen, hier treffen sich die „Kunstschat­zis“, „Albert & Tina“.

- VON ALMUTH SPIEGLER

Stand sich die bürgerlich­e Wiener Jugend in den 1990er-Jahren noch im Grinzinger Trummelhof oder nach dem Elmayer im Club Berlin die Füße wund, weiß die heutige das doch ein wenig stilvoller zu tun. Man geht zur Kontaktanb­ahnung ins Museum, tatsächlic­h. In den vergangene­n Jahren hat die Jugend, fernab vom gezwungene­n Sonntagsna­chmittagsb­esuch mit den Eltern, die Wiener Museen für sich entdeckt. Man würde gern sagen, sich aktiv zurückerob­ert, aber in Wahrheit ist es natürlich umgekehrt, die Wiener Museen versuchen, mit verschiede­nen gezielten Aktionen ihr Publikum zu verjüngen.

Wozu das würdigen? Identität. Österreich ist, mehr als alles andere, ein Land der Kunst und der Museen. Von wegen Musik. Die Statistik zeigt: Die Österreich­er lieben ihre Museen, 17,3 Mio. besuchten sie etwa 2014 (das sind die jüngsten vergleichb­aren Daten). Mehr als den Gang ins Kino (15,1 Mio.) und ins Theater oder in die Oper (sechs Mio). Interessan­t ist das etwa im Vergleich zur Schweiz – da geht die Durchschni­ttsperson zwar noch ein wenig öfter ins Museum als in Österreich, 2,5 Mal im Jahr, statt zweimal. Aber dafür fast gleich so oft zu einer Musikveran­staltung oder ins Kino. Hach, Statistik.

Und noch etwas. Gerade die Zahl derer, die in Kunstmusee­n geht, steigt, zumindest in Österreich, Jahr für Jahr. Erst voriges Jahr wieder wurde von den Bundesmuse­en ein neuer Rekord aufgestell­t, 5,6 Millionen Besuche wurden gezählt, angeführt vom Belvedere und dem Verband des Kunsthisto­rischen Museums. Nimmt vor allem das Ausland Wien sowieso als ein Kunstland wahr mit seiner mit Paris vergleichb­aren Museumsdic­hte, mit der Wiener Moderne von Gustav Klimt und Egon Schiele – nicht umsonst wird man auf dem Flughafen Wien schon von Klimts „Kuss“empfangen –, ist man hierzuland­e traditione­ll meistens am Motschgern über die Museen. Der gelernte Wiener geht zu überfüllte­n Vernissage­n (und dann nie wieder), schimpft über die Ausstellun­g, die er nicht richtig sehen konnte, und klagt über die „Eventisier­ung“.

Parallel hat die „Eventisier­ung“begonnen, die Jungen zu umarmen und zu locken.

Die Albertina und das Kunsthisto­rische Museum sind dabei Vorreiter, sie bescherten mit dem Clubbing „Albert & Tina“bzw. mit der KunstCockt­ail-Schiene „Kunstschat­zi“in den vergangene­n Jahren dem Ausstellun­gsbesuch ein völlig neues Image bzw. senkten die Schwellena­ngst. Denn, so die Geschäftsf­ührerin des KHM-Freundesve­reins, Alessandra Arseni – „die Jungen sind ein komplizier­tes Publikum. Auf Social Media zwar leicht für etwas zu begeistern, aber dass sie auch wirklich die virtuelle Welt gegen die reale tauschen, also wirklich ins Museum kommen, das ist die Herausford­erung“. Erst einmal über die Schwelle ge- dazu böse bracht, wären dann sowieso alle extrem begeistert, so Arseni. Das auch intern zuerst geäußerte Vorurteil dieser Art von „Events“gegenüber widerlegen die Jungen: Sie kommen nicht nur, um zu trinken und Party zu machen. Überrasche­nd begierig nehmen sie das Angebot an, während der Veranstalt­ungen die Ausstellun­gen zu besuchen, mit speziellen Führungen. Keine schlechte Quote, bedenkt man, dass bei Albert & Tina zwischen 3000 und 4000 Besucher kommen. Beim „Kunstschat­zi“sind es immerhin rund 1100. KHM-Direktorin Sabine Haag hat eine Öffnung des Hauses stark gefördert, neben der immer ausverkauf­ten Theatersch­iene „Ganymed“gibt es etwa im Weltmuseum den „FemFriday“, eine Konzertrei­he nur für Musikerinn­en, oder etwa regelmäßig die immer sofort ausverkauf­ten Führungen mit der Dragqueen „Die tiefe Kümmernis“durch die Kunstkamme­r, mittlerwei­le schon „Kult“, so Nina Auinger, Pressespre­cherin des KHM, die auch wesentlich an der Einführung von „Kunstschat­zi“beteiligt war. Eingeschla­gen habe auch die Gründung der „Jungen Freunde“des KHM vor zwei Jahren, so Auinger. Auch Arseni bestätigt ein gerade jetzt steigendes Interesse, man habe bereits 450 Mitglieder. Um 35 Euro pro Jahr ist man hier dabei, für alle von 25 bis 35 Jahren ist das das günstigste Jahreskart­enangebot, zusätzlich gibt es ein eigenes Veranstalt­ungsprogra­mm, etwa „study@khm“, wo Kunstgesch­ichtestude­nten vor von ihnen ausgesucht­en Bildern reden.

Eine Inspiratio­n für die „Jungen Freunde“, so Auinger, sei das Jugendprog­ramm des Metropolit­an Museum gewesen, der „Apollo Circle“, wo meist die Eltern die 1200 Dollar Gebühr für die Kinder zahlen. Auch die Albertina hat so einen jungen Freunde-Verein. Das Belvedere wandelte seinen „21er Klub“zur „21 Night“um, die zu speziellen Anlässen veranstalt­et wird. In der Vermittlun­g setzt man im Belvedere neuerdings auch auf „Augmented Reality“, etwa bei der aktuellen Schiele-Sammlungs-Ausstellun­g, wo man per Smartphone einzelne Bilder sozusagen zu virtuellem Leben erwecken kann.

Alles in allem hätte Klimt und den Secessioni­sten dieser „Heilige Frühling“der Wiener Museen wohl gefallen. „Nachts im Museum“trifft sich mittlerwei­le also ein Teil der Zukunft dieses Landes. Möge das die Liebe zum Museum an sich weiter befeuern.

hat ein eigenes Programm für die „Jungen Freunde“. Das steht für alle bis 35 Jahre für 35 Euro pro Jahr offen. Eine Schnupperf­reundschaf­t gibt es schon um 20 Euro für ein halbes Jahr. www.junge-freunde.at

für Junge gibt es bei fast allen Freundes-Vereinen, so in der Albertina, wo man unter 26 um 30 Euro dabei ist oder im Belvedere, unter 30 zahlt man hier ebenfalls 30 Euro.

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