„Dieser Benzingestank ist widerlich, ich kann kaum atmen!“
Der Rückzug auf Schloss Lengenfeld im Waldviertel stellt in Johann Fruhmanns Künstlerbiografie nicht nur einen radikalen Einschnitt dar. Er markiert auch den Beginn seines Spätwerks.
Als Johann Fruhmann im Dezember 1954 in einem Gemeindebau an der Fischerstiege in der Wiener Innenstadt ein kleines Dachatelier zugesprochen wurde, kam ihm diese Zuweisung wie ein „großes Weihnachtsgeschenk“vor, wie er in einem Brief schrieb. Dieses Atelier gab er auch nicht auf, als die Schwiegereltern anlässlich der Rückkehr seiner Frau Christa aus Amerika für das Paar ein großes Studio in der Franzensgasse anmieteten. Auch von 1961 bis 1971 – Jahre, in denen das Künstlerpaar nicht nur die Galerie im Griechenbeisl betrieb, sondern auch viele Reisen unternahm, blieb die Fischerstiege Basis und Rückzugsort. Das Verhältnis zur Stadt sollte sich ändern, als Fruhmann 1967 knapp an einem Herzinfarkt vorbeischrammt. Eine Veränderung des Lebensstils ist angesagt, er beginnt das Landleben zu schätzen. Das Stadtatelier war zu klein geworden, und den Verkehr in der Stadt empfindet Fruhmann obendrein als störend: „Dieser Benzingestank ist widerlich. Ich kann kaum atmen“, zitiert ihn Christa Hauer in ihren Erinnerungen. Auf der Suche nach einer Bleibe im Grünen entdecken die beiden im Waldviertel das verfallene Renaissanceschloss Lengenfeld, erwerben es 1970 und renovieren es.
Der Plan war, Frühling, Sommer und Herbst auf dem Land zu verbringen und im Winter in der Stadt den Betrieb der Galerie aufrechtzuerhalten. Doch es kam anders. Der frühe Tod seines Vaters führt Johann Fruhmann die Endlichkeit des Lebens vor Augen. 1971 wird die Galerie im Griechenbeisl daher endgültig geschlossen, Hauer und Fruhmann verlagern all ihre Aktivitäten nach Lengenfeld, verhehlen dabei auch nicht eine gewisse Müdigkeit gegenüber dem Kulturbetrieb in der Stadt, was wiederum bei den Wiener Künstlern nicht gut ankommt. Umso mehr wird jetzt das Schloss zum Kulturzentrum, Künstlertreff und Atelier. Kunst und Leben fallen hier in eins. Der Alltag ist stark von landwirtschaftlicher Arbeit bestimmt. „Johann hat sich ganz zum Landmann entwickelt“, notiert Christa Hauer. Phasenweise bleibt wenig Zeit für die Malerei.
Für das Schloss mit seinen langen, hellen Fassadenbändern entwickelt Fruhmann – buchstäblich als Opus magnum der späten Jahre – ein umlaufendes Sgraffito. Zungenförmige, an den Torbögen ausgerichtete Formationen nehmen die Zeichensprache der Malerei dieses Jahrzehnts auf. Quadratmeter um Quadratmeter realisiert er das Sgraffito eigenhändig gleichsam als großes Bild für den Außenraum. Ohne dass es vorhersehbar oder vorhersagbar gewesen wäre, wurde Schloss Lengenfeld für Fruhmann zu dem Ort, an dem er sein künstlerisches Spätwerk realisieren wird. Am 27. Jänner 1985 reißt ihn eine zu spät erkannte Krebserkrankung mitten aus dem Leben. (jh)