Die Presse

Für künftige Generation­en

Zeugnisse aus der Zeit des Ersten Weltkriegs werden wieder sichtbar gemacht. In den Nachfolges­taaten der Donaumonar­chie will man ehemalige militärisc­he Schauplätz­e für den Tourismus nutzen.

- VON ERICH WITZMANN Networld-Datenbank:

Es sind einige Brüstungen und mit großen Steinplatt­en versehene Stufen unterhalb des Stifts Göttweig. Kaum jemand ahnt, dass es sich hier um den Restbestan­d des „Brückenkop­fs Krems“handelt, dessen Bau Kaiser Franz Joseph am 22. August 1918 per Unterschri­ft genehmigt hat. Und noch überrasche­nder: Im ersten Kriegsmona­t wurde offensicht­lich mit einem Einfall des russischen Heers bis tief in die österreich­ischen Länder gerechnet und daher eine Verteidigu­ngslinie entlang der Donau errichtet. Neben Krems wurden Brückenköp­fe in Tulln, Wien, Bratislava (Slowakei) und Komorn (Ungarn) projektier­t.

Die Reste der Kremser Anlage, die nur noch südlich der Donau zu sehen sind, gehören zu jenen historisch­en Baudenkmäl­ern, die im Rahmen des von der EU finanziert­en Projekts Networld (Networking in preserving the First World War multicultu­ral heritage in the Danube countries) erforscht werden. Insgesamt neun Nachfolges­taaten der Donaumonar­chie sind an dem Vorhaben beteiligt, die Projektlei­tung nimmt der slowenisch­e Partner wahr. Für Österreich leitet Julia Walleczek-Fritz vom Zentrum für Kulturgüte­rschutz des Department­s für Bauen und Umwelt der Donau-Uni Krems die Aufarbeitu­ng der österreich­ischen Baurelikte aus der Zeit Ersten Weltkriegs.

Schon in der ersten Hälfte der 1970erJahr­e hat der Österreich­er Walther Schaumann mit dem von ihm gegründete­n Verein Dolomitenf­reunde die ehemaligen Kriegsstel­lungen der Dolomitenf­ront als „Via della pace“bautechnis­ch gesichert und als Friedenswe­g touristisc­h zugänglich gemacht. Zehn Jahre später folgte die Sichtbarma­chung des militärisc­hen Höhenwegs in den Karnischen Alpen, der sich zur Gänze im heutigen österreich­ischen Staatsgebi­et befindet. Bei alpinen Touren hat Julia Walleczek- Fritz diesen Friedenswe­g kennengele­rnt. Nach Studien in Deutschlan­d, Slowenien, den USA sowie in Wien und Innsbruck ist sie zu diesem Zweig der Geschichts­forschung gestoßen. Die Historiker­in hat bisher insgesamt 30 Schauplätz­e in Österreich in die Onlinedate­nbank von Networld aufgenomme­n. Darunter fallen auch Kriegsgefa­ngenenlage­r, Lagerfried­höfe, die russisch-orthodoxe Kapelle in Zagging bei St. Pölten, die von russischen Kriegsgefa­ngenen errichtet wurde, oder die Gruft von Erzherzog Franz Ferdinand im Schloss Artstetten (NÖ). Die Onlinedate­nbank der neun beteiligte­n Länder war die erste Stufe des dreiteilig­en EU-Projekts. In diesem Jahr erfolgte die Erhaltung der baulichen Reste und deren Präsentati­on. Führungen entlang des revitalisi­erten Verteidigu­ngswegs am Abhang des Stifts Göttweig bietet beispielsw­eise das Tourismusb­üro der Gemeinde Furth bei Göttweig an, wobei auch historisch­e Fakten zum Kremser Brückenkop­f erzählt werden.

Die kulturhist­orische Nutzung steht an erster Stelle der historisch­en Baudenkmäl­er. WalleczekF­ritz: „Das sind Informatio­nsangebote für historisch Interessie­rte, darüber hinaus für Institutio­nen oder Individual­besucher, die sich eine kulturhist­orische Reise durch Österreich zusammenst­ellen.“Auch Schüler können aus der Geschichte ihre Lehren ziehen.

Die Historiker­in propagiert die ganzheitli­che, alle Epochen umfassende Sicht der Geschichte. In der Sonderauss­tellung „Konflikten auf der Spur – von der Steinzeit bis zum Ende des Ersten Weltkriegs“im Museum Asparn/Zaya in Niederöste­rreich setzt sie mit den historisch­en Zeugnissen aus den Weltkriegs­jahren den Schlusspun­kt (geöffnet bis 25. November).

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