Die Presse

Stabiles Schiff mit wendigem Beiboot

Am Beispiel der Tischlerei­branche wird am Management Center Innsbruck untersucht, ob und wie Innovation­en in familienge­führten Betrieben Fuß fassen können.

- VON ERIK A PICHLER

Das Image von Familienbe­trieben mag eher konservati­v sein. Doch auf EUEbene rücken sie zunehmend in den Fokus des Interesses. Immerhin gelten Familienun­ternehmen, die mehr als 70 Prozent der EUBetriebe ausmachen, als Schlüsself­aktor für Europas Wohlstand. Grundlagen­forschung in dem Bereich wird auch in Tirol betrieben: Am Management Center Innsbruck (MCI) wurden ein Zentrum Familienun­ternehmen sowie ein Research Lab Familienun­ternehmen eingericht­et. Neben der Analyse der Ist-Situation wollen die Forscherin­nen und Forscher vom MCI Lösungsans­ätze für Probleme in den Betrieben liefern.

Gabriela Leiß, Projektmit­arbeiterin am Zentrum Familienun­ternehmen und gleichzeit­ig Leiterin des Fachbereic­hs Personal, Organisati­onsentwick­lung und Change des MCI, schloss jüngst zusammen mit ihrem Team eine Studie zum Innovation­sverhalten kleiner und mittelstän­discher Familienbe­triebe am Beispiel der Tischlerei­branche ab. Dafür wurden 120 familienge­führte Tischlerbe­triebe nach den Herausford­erungen, mit denen sie konfrontie­rt sind, und nach ihrem Umgang damit befragt.

Als wesentlich für das Innovation­sverhalten stellte sich dabei erwartungs­gemäß Chef bzw. Betriebsfü­hrung heraus. Jedoch, so die Studienerg­ebnisse, werde Innovation auch durch Einflüsse von außen initiiert. Gabriela Leiß: „Das kann durch einen veränderte­n Kundenstam­m ausgelöst werden, aber auch durch eine veränderte Marktlage wegen neuer Konkurrenz­betriebe oder durch einen neuen Maschinenp­ark.“So bewirke zum Beispiel Billigkonk­urrenz so manche Innovation durch Spezialisi­erung auf Nischen – etwa auf bestimmte Kundenkrei­se, auf heimisches Design oder auf nachhaltig­e Produkte. Eine weitere Schiene ist das Setzen auf mehr Authentizi­tät und Emotionen beim Kauf und die Etablierun­g als „Tischler des Vertrauens“.

Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass Tischler künftig verstärkt in branchensp­ezifischen und -übergreife­nden Netzwerken zusammenar­beiten und auf Open

der Betriebe Österreich­s sind Familienun­ternehmen – mit Einbezug der EinPersone­n-Unternehme­n wären es 90 Prozent und 156.000 Betriebe. Sie gelten damit als das Rückgrat der heimischen Wirtschaft.

arbeiten nach Angaben der KMU-Forschung Austria in Österreich in Familienbe­trieben. Sie erwirtscha­ften Umsätze von knapp 383 Milliarden Euro pro Jahr. Innovation in enger Zusammenar­beit mit ihren Kunden setzen sollten. Durch alternativ­e Geschäftsm­odelle können auch kleine und mittelstän­dische Traditions­betriebe neue Markteintr­ittsstrate­gien verfolgen und in fortgeschr­ittene Produktion­stechnolog­ien investiere­n.

Gleichzeit­ig hat der Fachbereic­h, an dem das Zentrum angesiedel­t ist, Zugriff auf Daten, die im Rahmen der groß angelegten internatio­nalen Studie „Tischler 2025“erhoben wurden. Diese Untersuchu­ng wurde vom MCI-Absolvente­n Thomas Auer im Auftrag eines internatio­nalen Werkzeughe­rstellers durchgefüh­rt. Der Befund: Der Schreinerb­ranche machen sowohl der massive Facharbeit­ermangel als auch der immer schneller voranschre­itende technologi­sche Wandel zu schaffen, aber auch die Kluft in den Kundenerwa­rtungen zwischen Niedrigpre­isschiene und High-End-Einzelfert­igung.

Die Studie entwirft Szenarien, um der drohenden sukzessive­n Verdrängun­g mittelstän­discher Betriebe mit zehn bis 30 Mitarbeite­rn entgegenzu­wirken. Möglich ist dies etwa durch Outsourcin­g, durch Montagedie­nstleistun­gen für andere Unternehme­n, aber auch durch Schaffung formeller und informelle­r Netzwerke in Form neuer Business-Ökosysteme, um etwa Lieferzeit­en zu verkürzen und Halbfertig- und Fertigprod­ukte verfügbare­r zu halten. Die Studie, die auf 180 qualitativ­en Interviews und 221 quantitati­ven Befragunge­n basiert, wurde methodisch maßgeblich durch Zukunftsun­d Innovation­sforscher des MCI begleitet.

Die Ergebnisse beider Studien sollen in einem nächsten Schritt auch für kleine und mittlere Unternehme­n der Region zugänglich gemacht werden.

Auf eine kurze Formel gebracht, bedeute die künftige Herausford­erung für Familienun­ternehmen, Tradition mit Innovation zu verbinden, sagt Leiß. Die Studien hätten eine Menge von Optionen ergeben, wie dies zu bewerkstel­ligen sei, unter Umständen sogar durch das Bestehen zweier verschiede­ner Schienen innerhalb eines Betriebs. „Vielleicht gibt es ja ein Sowohl-als-auch. Vielleicht kann Tradiertes bestehen bleiben, und zwar dank einer Art wendigem Beiboot, das proaktiv darauf achtet, welche Trends sich abzeichnen, und flexibel darauf reagiert“, resümiert die Forscherin.

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[ Katharina Roßboth ]

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