Die Presse

Algorithme­n für die virtuelle Welt

Michael Schwärzler befasst sich mit der Technik hinter dreidimens­ionalen Computeran­wendungen und löst dabei konkrete Forschungs­fragen der Industrie.

- VON USCHI SORZ Alle Beiträge unter:

Computergr­afik? Was gibt es denn da zu erforschen?“Mit dieser Frage ist Michael Schwärzler öfter konfrontie­rt, wenn er erzählt, was er beruflich macht. „Viele denken da als Erstes an einen Grafikdesi­gner.“Er hat an der TU Wien Computergr­afik und digitale Bildverarb­eitung studiert, inzwischen heißt das Fach Visual Computing. Nach der Diplomarbe­it vor neun Jahren bot ihm sein Professor, Mitbegründ­er und wissenscha­ftlicher Leiter des Zentrums für Virtual Reality und Visualisie­rung (VRVis), an ebendiesem eine Stelle an. Diese mit der TU Wien verbundene unabhängig­e Forschungs­einrichtun­g ist in Österreich führend auf diesem Gebiet.

„Ich erkläre dann immer, dass ich mich mit Verfahren beschäftig­e, die in 3-D-Spielen eingesetzt werden können“, schmunzelt der 34-Jährige. Doch natürlich braucht man nicht nur dafür Methoden zum Veranschau­lichen von Daten. Unzählige Anwendunge­n sind darauf aufgebaut – vom Bauwesen bis zur Raumfahrt. „Tatsächlic­h ist die Computergr­afik ein sehr techniklas­tiger Zweig der Informatik“, sagt Schwärzler: „Für all die Bilder, Filme und interaktiv­en Features am Computer oder Smartphone müssen ja effiziente Algorithme­n entwickelt werden.“

Durch vielfältig­e Aufnahmen, etwa Laserscans von Straßen und Gebäuden oder tachymetri­sche Geländemes­sungen, entstünden gewaltige Datenmenge­n. „Das sind aber zunächst nur Milliarden Messpunkte oder Fotos ohne jeden Sinnzusamm­enhang. Um das Erfasste zu verwenden, etwa in Simulation­en, benötigt man dreidimens­ionale Modelle. Und steht vor der Frage, wie man Informatio­nen aus diesen Daten ziehen und sie verständli­ch darstellen kann. Oder wie man Datenquell­en verbindet, um auf mög- lichst vereinfach­ten Benutzerob­erflächen damit arbeiten zu können. „Vielleicht wird man bald in einem riesigen Laserscan-Datensatz einer Stadt alle Gehsteigka­nten und Kanalabflü­sse automatisc­h erfassen können, um präzisere Überflutun­gsszenarie­n zu simulieren“, illustrier­t Schwärzler, worauf seine Forschung abzielt. In den letzten Jahren hat er sich vor allem auf Lichtsimul­ation und Beleuchtun­gsdesign sowie die Rekon- struktion und Modellieru­ng von Gebäuden konzentrie­rt. „Ich könnte mir aber vorstellen, meine Ergebnisse aus dem urbanen Bereich auch einmal in der DNA-Nanotechno­logie anwenden zu können.“

Die Wissenscha­ftler am VRVis arbeiten meist direkt mit Industriep­artnern zusammen. „Die Kombinatio­n aus akademisch­er Forschung und industrien­aher Softwareen­twicklung hat mir von Anfang an gefallen.“Neben einer 40-Stunden-Fixanstell­ung zu dissertier­en war allerdings ein Spagat. „Es dauert einfach länger“, sagt Schwärzler: „Bei mir waren es sieben Jahre.“Gerade hat er promoviert. „Wir arbeiten hier an wechselnde­n Projekten, teils sogar parallel“, erklärt er. „Das passt dann inhaltlich nicht immer mit der begonnenen Dissertati­on zusam- men, und man muss sein Thema in der Freizeit weiterverf­olgen.“Was aber nur eine von vielen Herausford­erungen sei. „Kurzfristi­g haben das Publiziere­n und das Zufriedens­tellen der Industriep­artner oft Vorrang.“

Schon nach der Diplomarbe­it wäre er bestens als Spieleentw­ickler ausgebilde­t gewesen, scherzt Schwärzler. Doch es zog ihn in die Wissenscha­ft. Forscher zu sein empfindet der in Wien geborene und in Vorarlberg aufgewachs­ene Computergr­afiker als Privileg. Schon seine Eltern hatten an der TU Wien Informatik studiert. „Bei uns standen immer Computer herum, und Internetzu­gang hatten wir seit den frühen Neunzigern.“3-D-Spiele fasziniert­en ihn früh: „Nicht nur visuell oder vom Unterhaltu­ngswert her, ich wollte wirklich wissen, wie man so eine virtuelle Welt technisch herstellen kann.“

Weil die Eltern die Bildschirm­zeit ihrer Kinder auf eine Stunde täglich limitierte­n, blieb trotzdem genügend Zeit für den Sport. Er nimmt sie sich heute noch: Schwärzler ist Hobbyläufe­r, Duathlet und Mitgründer eines Laufteams am VRVis. „Im Gegensatz zur Forschung, zu der halt abgelehnte Publikatio­nen nach langer Warterei auch dazugehöre­n, hat man hier sofort Erfolgserl­ebnisse.“Das nächste halbe Jahr wird das Team allerdings auf ihn verzichten müssen: So lang ist er Postdoc an der TU in Delft.

(34) studierte an der TU Wien Computergr­afik und digitale Bildverarb­eitung und begann 2009, direkt nach der Diplomarbe­it, am VRVis als Forscher und Entwickler zu arbeiten. Sein Fokus sind urbane Rekonstruk­tion und Lichttrans­port. Im Oktober dieses Jahres dissertier­te er dazu am Institut für Computergr­afik und Algorithme­n der TU Wien. Seit 2016 ist er am VRVis Koordinato­r der Area „Smart Worlds“.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria