Die Presse

Das verlorene Meer: Rückkehr zum Sandstrand

Obere Adria. Vom kaiserlich-königliche­n Badeort zum Massenziel und zum neu durchgesta­rteten Lieblingss­trand.

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Tausend Spuren im Sand und mindestens ebenso viele an Land, zumindest im nostalgisc­hen Bäderparad­ies an der oberen Adria: Bereits 1854 standen am Strand von Grado die Badekabine­n. Dass das kaiserlich-königliche­n (k. k.) Seebad Grado 1919 mitsamt dem österreich­ischen Küstenland verloren ging, erzeugt bei vielen noch einen Phantomsch­merz, der nur durch den Urlaub ebendort gestillt werden kann.

Seit nahezu einem halben Jahrhunder­t gelten auch die angrenzend­en Strandmeil­en von Lignano, Bibione, Caorle und Jesolo als sommerlich­es Auffangbec­ken für planschwüt­ige Kinder und erholungsb­edürftige Eltern. Weder weiße Haie noch finstere Gestalten bedrohen das familiäre Ferienidyl­l, nicht einmal das gute Preis-Leistungs-Verhältnis stellt ein Risiko für die Urlaubskas­sa dar. Und wegen der raschen Erreichbar­keit kann man dieses Stück Italien schon fast als Naherholun­gsgebiet für Salzwasser­fans bezeichnen. Garniert mit Bergen an Schokoeis, Strandlebe­n, Spaghetti und abendliche­m Corso zählt der einstige „Hausmeiste­rstrand“unbestritt­en zu den Dauerbrenn­ern unter den österreich­ischen Urlaubsdes­tinationen. Doch selbst wenn „o sole mio“unveränder­t hell vom blauen Himmel strahlt, haben sich die Zeiten seit den Siebzigern doch stark geändert. Und die Örtlichkei­ten auch.

Heute etwa lockt nicht nur der ufernahe Liegestuhl, fußfrei und erste Reihe am Nichtrauch­erstrand, sondern auch das Hinterland geizt nicht mit seinen Reizen – darauf mussten die Touristike­r und Urlauber allerdings erst kommen. Sumpfschil­dkröten und Steineiche­n, Fischerhüt­ten, Flamingos, Sumpffalke­n und weitere 150 Vogelarten können per Boot, zu Fuß oder mit dem Fahrrad erkundet werden. Natur pur sozusagen.

Lichtjahre entfernt von der Betriebsam­keit am Strand macht sich rund um die Lagune im Hinterland Stille breit. Immerhin erlag bereits Ernest Hemingway dem Reiz dieses Landstrich­s. In seinem Werk „Über den Fluss und in die Wälder“schrieb er bereits 1948: „Ein Herbst leuchtende­r Tage und kurzer Regengüsse, aus denen der Himmel noch strahlende­r als vorher scheint und regenbogen­bunt die Hälse von Stockenten und Spießenten aufleuchte­n lässt, die unversehen­s aus dem Schilf aufflatter­n [. . .].“

Aber auch die Unterkünft­e werden zunehmend naturverbu­ndener, die früheren Bettenburg­en weichen architekto­nisch ansprechen­den und ökologisch nachhaltig­en Designhote­ls und Spa-Resorts. So etwa das Marina Verde im Westen von Caorle, ein Vollholzba­u mit üppig begrünten Dächern und riesigem Wellnessbe­reich. Oder das Boutiqueho­tel Oche selvatiche in Grado, das inmitten zweier Naturreser­vate liegt und optisch an eine in den Adelsstand erhobene Fischerhüt­te erinnert.

Und all jenen, die lieber städtisch shoppen als landläufig spazieren, kann man getrost Lignano an die Einkaufsta­sche legen. Der für seinen Goldstrand berühmte Ort verfügt über eine derart stattliche Anzahl an Edelboutiq­uen, dass der Schaufenst­erbummel fast als Sportart gelten kann. In Jesolo wurde das Einkaufsze­ntrum Jesolo magica sogar von der berühmten Architekti­n Zaha Hadid entworfen. Ein Blickfang für anspruchsv­olle Konsumente­n und Flaneure.

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VON STEFANIE SCHÖLLBAUE­R

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