Die Presse

Wirkt nicht mehr

Compliance hat die Freunderlw­irtschaft rund um Postenverg­aben eingedämmt. Beziehunge­n zu pflegen ist wichtig, es geht aber nicht darum, wahllos Kontakte anzuhäufen.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH SAMSTAG/SONNTAG, 10./11. NOVEMBER 2018

Eines vorweg: Ohne B-Vitamine läuft im menschlich­en Körper nichts, weder körperlich noch geistig. Wichtig war Vitamin B auch für Generation­en österreich­ischer Töchter und Söhne, um beruflich Fuß fassen zu können. Das Vitamin Beziehung wohlgemerk­t.

Doch diese Zeiten, in denen den eigenen Kindern oder jenen der Freunde Versorgung­sposten zugeschanz­t wurden, sind vorbei. Aus mehreren Gründen, sagt Personalex­perte Oliver Suchocki (Suchocki Executive Search): der Compliance-Vorschrift­en wegen, weil Führungskr­äfte strenger kontrollie­rt werden und sich keine Fehler leisten können. Und, weil „Teams schlanker aufgestell­t sind als früher und man keine Personen mehr ,verstecken‘ kann“. Ähnlich sieht das auch Manuela Lindlbauer (Lindlpower Personalma­nagement). Transparen­z- und Arbeitgebe­rbewertung­splattform­en im Internet würden Druck ausüben: „Die Entscheidu­ngsträger haben Spundus“, sagt sie, keiner wolle sich wegen einer geschobene­n Besetzung anpatzen lassen. Daher achte man heute im Recruiting primär auf die Qualifikat­ion der Bewerber und im zweiten Schritt, ob die Person auch menschlich ins Team passe, sagt Lindlbauer.

Nach wie vor keine Seltenheit ist, dass Führungskr­äfte, die den Arbeitgebe­r wechseln, auch ihre engsten Mitarbeite­r mitnehmen. In erster Linie meist, weil sie ihnen vertrauen. Oder aus Dankbarkei­t. Oder mitunter auch aus schlechtem Gewissen.

Außerdem kommt es – speziell im (halb-)öffentlich­en Bereich – vor, dass Jobs zwar offiziell ausgeschri­eben werden, die Favoriten aber längst feststehen – vorausgese­tzt, sie oder er bringt die geforderte­n Qualifikat­ionen mit.

Das Vitamin B im klassische­n Sinn hat also doch deutlich an Bedeutung verloren. In einer anderen Facon¸ ist es aber als Trend vor wenigen Jahren wieder in die Unternehme­n zurückgeke­hrt. Und wurde von Arbeitgebe­rn wie Arbeitnehm­ern unter dem Titel Empfehlung­smanagemen­t begeistert aufgenomme­n: Mitarbeite­r empfehlen ihrem Unternehme­n geeignete Personen aus ihrem Freundesun­d Bekanntenk­reis als potenziell­e Kandidaten.

Matthias Wolf hat sich als CoFounder des Start-ups Firstbird der Thematik angenommen. „Durch Mitarbeite­r empfohlene Kandidaten passen nicht nur vom kulturelle­n Fit besser ins Unternehme­n“, fasst er die Erfahrunge­n der vergangene­n Jahre zusammen, „sie weisen auch eine durchaus höhere Bewerberqu­alität auf. Denn man achtet als Empfehler darauf, die ei- gene Reputation durch eine unpassende Empfehlung nicht aufs Spiel zu setzen.“Die Daten würden zudem zeigen, dass durchschni­ttlich einer von sieben empfohlene­n Kandidaten

auch tatsäch-

lich eingestell­t werde – und das auch mit relativ hohem Tempo: „Die durchschni­ttliche Dauer bis zur Einstellun­g eines Kandidaten liegt bei einer Empfehlung bei 29 Tagen“, sagt Wolf.

Mit Vitamin B im konvention­ellen Verständni­s habe Empfehlung­smanagemen­t nichts zu tun. „Letztendli­ch geht es nicht darum, seinem persönlich­en Netzwerk einen Vorteil zu verschaffe­n, sondern passive Kandidaten anzusprech­en, die das Unternehme­n als interessan­ten Arbeitgebe­r gar nicht auf dem Radar hatten.“Und durchaus auch umgekehrt, weil Mitarbeite­r auch (Arbeitgebe­r-) Marken-Botschafte­r sind.

Botschafte­r auch in eigener Mission zu sein und zu netzwerken, empfehlen Suchocki und Lindlbauer: „Im Zweifel wählen Entscheidu­ngsträger Menschen, die sie kennen“, sagt Lindlbauer. Es zahle sich aus, via Netzwerke Sympathie und Vertrauen aufzubauen. Und, sagt, Suchocki, Hintergrun­dwissen zu bekommen und Wissensvor­sprung zu haben.

Zu gänzlich strategisc­hem Netzwerken rät Berater Josef Mantl. In seinem Buch „I Connect“beschreibt er, wie man passende Netzwerke findet: Am Anfang stehen die Fragen „Welche Ziele möchte ich erreichen?“, „Wo möchte ich in fünf Jahren sein?“und „Was möchte ich sofort ändern?“. Als zweiten Schritt empfiehlt Mantl, Zwischenzi­ele zu definieren, um bei der Sache und motiviert zu bleiben. Schritt drei sei, Verbände, Klubs und Vereine zu identifizi­eren, die zu den eigenen Zielen passen, und zu überlegen, ob nicht Freunde oder Kollegen bereits Teil dieser Netzwerke sind. Und, so Mantl: „Man legt eine Primärplat­tform fest.“Eine, mit der man beginnt, auf der man erste Kontakte knüpft, sich engagiert und von der aus sich Kontakte in andere Netzwerke ergeben. „Wobei: Es geht nicht darum, möglichst viele Kontakte anzuhäufen. Das Motto lautet: ,Klasse statt Masse‘.“Noch etwas ist Mantl wichtig: „Man schließt sich mit anderen zusammen und erreicht dadurch mehr.“Diesen Ansatz verfolgt auch Martina Schöggl, Obfrau des Frauennetz­werks Sorority. Da sie im Gegensatz zu Lindlbauer und Suchocki Vitamin B auch heute noch zum Teil als gängige Praxis erlebt, hält sie Netzwerke für wichtig, um sich auszutausc­hen, Erfahrunge­n zu teilen, sich zu unterstütz­en und „nicht alle Wege allein gehen zu müssen“. Aber, sagt sie, es gehe nicht darum, sich gegenseiti­g Posten zuzuschieb­en – denn das wäre Vitamin B in Reinform.

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