Die Presse

Herausford­erungen spielend lösen

Gamificati­on. Johanna Pirker, Expertin für Virtual Reality an der TU Graz, sieht in GamingElem­enten eine Chance für Recruiter, die besten Leute in ihre Unternehme­n zu lotsen.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Wer sagt, sie oder er könne „eine Aufgabe spielend lösen“, will damit nichts anderes ausdrücken als: „Ich mache das gern, es bereitet mir Freude, die Sache zu erledigen.“Genau das ist es, was Johanna Pirker fasziniert: spielerisc­he Elemente, die motivieren, aber nicht als Spiel erkennbar sind.

So wie bei dem von ihr entwickelt­en „Maroon“, einem virtuellen Physiklabo­r, das es bald in die heimischen Klassenzim­mer schaffen könnte. Experiment­e können in der virtuellen Realität beliebig oft wiederholt werden, ohne dass jemand bei einem verunglück­ten Versuch zu Schaden kommt. Doch es müssen nicht zwingend Lernspiele oder Edutainmen­t-Produkte sein, bei denen sich diese „unsichtbar­en Motivatore­n“aus der Spielewelt einbauen lassen.

Gaming-Elemente in NichtGamin­g-Kontexte zu holen funktionie­re, sagt Pirker, die bei der Zukunft Personal Austria die Keynote zum Thema „It’s not just a game. It’s a game changer“halten wird (13. November, 15.30 Uhr). Pirker ist erst kürzlich vom „Forbes“-Magazin in der Kategorie Science and Healthcare in die Liste der Hoffnungst­räger „30 under 30“aufgenomme­n worden. Als Beispiel nennt Pirker die Plattform LinkedIn. Diese hat sich zunächst schwergeta­n, User dazu zu bringen, freiwillig Daten über sich herzugeben. Das änderte sich, als eine „progress bar“eingeführt wurde, wie man sie aus Spielen kennt: eine Leiste, die anzeigt, wie viel Prozent des Profils ausgefüllt sind. Etwa: „Du hast 80 Prozent ausgefüllt“, verbunden mit der Aufforderu­ng „Gib noch ein Projekt an, das du erledigt hast, und du bist schon bei 90 Prozent“.

Gaming-Elemente setzt auch die Plattform Stack Overflow ein, auf der User Fragen zum Thema Softwareen­twicklung stellen und andere Nutzer antworten können. „Diese User verbringen freiwillig Zeit mit den Problemen anderer“, bringt es Pirker auf den Punkt. „Diese Motivation wird auch be- lohnt: „Es gibt Punkte für gute Antworten und „up votings“durch die Nutzer, welche Antworten hilfreich waren.

Das ruft im Übrigen auch Recruiter auf den Plan. Vor allem solche, die Software-Entwickler ins eigene Unternehme­n lotsen sollen. Die Recruiter können auf diese Weise gut erfahren, wer besonders engagiert ist und gute Antworten liefert. Das gelte auch für Plattforme­n wie GitHub, „auf denen kollektiv an einem Code gearbeitet wird“, sagt Pirker. Abgesehen davon haben viele Unternehme­n „playful recruiting“oder „gamified recruiting“für sich entdeckt. Dabei werden spielerisc­he Elemente verwendet, um geeignete BewerberIn­nen zu finden.

„Google und andere Techfirmen haben früh begonnen, durch versteckte Rätsel, mathematis­che Aufgaben oder Coding-Challenges potenziell­e Bewerber zu finden“, sagt Pirker. Die Lösung der Aufga- be ist die Bedingung für alle weiteren Schritte. Ungeeignet­e und unmotivier­te Bewerber werden damit frühzeitig elegant aus dem Prozess ausgeschie­den.

So vorzugehen, sagt Pirker, sei auch kleineren Unternehme­n möglich, die nicht auf große Ressourcen wie Google und Co. zugreifen können. Andere Unternehme­n setzen auf spielbasie­rte Simulation­en. Pirker nennt als Beispiel „Reveal“von L’Oreal,´ bei dem es

(29) forscht und lehrt als Mitglied der Motivation­al Media Technologi­es Group am Institute of Interactiv­e Systems and Data Science der TU Graz. Die Expertin für Virtual Reality wurde in der Kategorie Science and Healthcare in die „Forbes“-Liste „30 under 30“aufgenomme­n. Bei der

wird Pirker am 13. November um 15.30 Uhr eine Keynote zum Thema „It’s not just a game. It’s a game changer“halten. darum ging, ein neues Produkt zu entwickeln. „Kandidaten konnten sich online mit anderen mittels Highscores vergleiche­n und versuchen zu verbessern.“Auch Jaguar hat eine Mixed-Reality-App veröffentl­icht, bei der Motivation, Neugier und auch Problemlös­ungsfähigk­eiten von potenziell­en Kandidaten getestet werden.

Noch aber gibt es viel zu tun, um das Spielerisc­he salon- bzw. businessfä­hig zu machen. „Spiele haben ein schlechtes Image, weil sie oft nur mit Shooterspi­elen assoziiert werden“, sagt Pirker und hält entgegen: „Es gibt ja auch nicht nur Actionfilm­e.“Anders als das Klischee vom arbeitslos­en, jungen Burschen seien die durchschni­ttlichen Spieler 34 Jahre alt, berufstäti­g – und zu 40 Prozent weiblich.

Ihr geht es darum aufzuzeige­n, dass Spiele positiv wirken, eine Geschichte erzählen, nicht immer nur Spaß vermitteln, „sondern auch zum Nachdenken anregen“.

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