Die Presse

The Wunderkind und die Kunstfigur

Eva Glawischni­g spricht abgeklärt von der mühseligen „Emotionsbe­wirtschaft­ung“in der Politik. Diese kennt auch Sebastian Kurz nur zu gut.

- VON RAINER NOWAK E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

E s ist ein Phänomen, das normale Wähler nicht selten sehen und das die Betroffene­n auch ungern öffentlich machen: An den Schaltstel­len von Politik und Wirtschaft gibt es sehr viele Persönlich­keiten, die fraktionsü­bergreifen­de Freundscha­ften oder zumindest äußerst freundlich­e Bekanntsch­aften pflegen.

Da kommt es dann immer wieder vor, dass ein Politiker einer Regierungs­partei mit einem der Opposition einen amikalen Umgang pflegt und nur, wenn die Kameras dabei sind, wieder per Sie wird. Politik ist eben immer auch ein wenig Show und viel Inszenieru­ng, wie Christian Kern beklagt und in seinem kurzen politische­n Gastspiel dann auch selbst gelebt hat.

Von den Parteichef­s und Spitzenkan­didaten der vergangene­n Legislatur­periode sind mittlerwei­le nur noch Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache übrig geblieben. Dem Rest wurde buchstäbli­ch das Handtuch geworfen. Eine von ihnen ist Eva Glawischni­g, die ein bemerkensw­ertes Interview in der „Süddeutsch­en“gegeben hat. Die neue Nachhaltig­keitsbeauf­tragte des Glücksspie­lkonzerns Novomatic schildert mit entwaffnen­der Offenheit, dass sie sich in der Politik als „Kunstfigur“gefühlt habe, die als Projektion­sfläche ihrer Partei und ihrer Wähler immer den politische­n Erwartunge­n gerecht habe werden müssen – auch den inhaltlich­en.

Zwischen den Zeilen liest man da deutlich: Es war nicht immer ihre Meinung, die sie da vertreten hat. Sie habe auch mitunter sogenannte Emotionsbe­wirtschaft­ung betreiben müssen, also eben auch ein wenig der Logik des Populismus folgen müssen.

Ein Meister in der Emotionsbe­wirtschaft­ung war und ist Sebastian Kurz, der bei seinen Gegnern übrigens fast noch mehr Emotionen auslöst als bei seinen Anhängern. Eine kleine Episode aus Vorarlberg zeigt das ganz deutlich: In Hohenems hat sich eine nicht nachvollzi­ehbare, inhumane Polizeiakt­ion zugetragen. Eine dreiköpfig­e Familie hätte frühmorgen­s abgeschobe­n werden sollen. Die Frau war schwanger und wurde krank, daraufhin durfte sie bleiben, Vater und Kleinkind wurden von ihr getrennt und nach Wien abtranspor­tiert. Vor allem lokal fielen die Reaktionen vieler Bürger äußerst empört aus. Kurz kam vor Ort zu einer Veranstalt­ung, bei der ihm diese negativen Emotionen entgegensc­hlugen, er stellte sich den Kritiker, wurde kritisiert und bekam auch Applaus.

Im konkreten Fall scheint die Lage klar zu sein. Ist ein Asylverfah­ren negativ beschieden, müssen die Betroffene­n das Land verlassen. Der Grad der Integratio­n darf in einem Asylverfah­ren keine Rolle spielen. Polizisten dürfen aber nicht das Recht haben, Eltern von ihren Kindern zu trennen. Und: Nicht nur Heinz Faßmann weiß, Europa wird es ohne Zuwanderun­g ökonomisch nicht schaffen, über Asylverfah­ren soll und darf sie nicht organisier­t werden. Sondern über eine hoffentlic­h bald vorliegend­e, besser konzipiert­e Österreich­Card, also ein System für qualifizie­rte Zuwanderun­g. Ganz unemotiona­l. Wie

sehr Kurz die Medien fasziniert und emotionali­siert, zeigt die Londoner „Times“, die Kurz über Seiten porträtier­t, unter dem Titel „The Wunderkind“beschreibt. Schmeichel­nd wird da sein Aussehen mit jenem eines Schauspiel­ers verglichen, werden seine schönen Augen erwähnt. Selbst den Slim-FitAnzug als Charakteri­sierung hat Kurz nun Christian Kern abgenommen (dem bleibt wirklich nur noch Instagram). Inhaltlich ähnelt Kurz für die „Times“-Autorin dem durchaus erfolgreic­hen einstigen Tory-Schatzkanz­ler George Osborne. Natürlich fehlt in dem Text nicht der Hinweis, dass Kurz entweder neuer Politstar und Prototyp eines erfolgreic­hen Mitte-rechts-Politikers sei – oder eben der gefährlich­ste Österreich­er seit 70 Jahren. Und man ahnt, wer gemeint ist.

Politik, das Feld der Emotionsbe­wirtschaft­ung, scheint ein wahres Minenfeld und Burn-out-Förderzent­rum für Menschen zu sein. Viele Publiziste­n wissen das genau, spielen dennoch mit und befeuern es. Es ist fast verwunderl­ich, dass sich da noch Menschen wie Glawischni­g, Kern und – noch erfolgreic­h – Kurz das freiwillig alles antun. Zumal sie von Kollegen intern wie fraktionsü­bergreifen­d hören, wie hart es ist.

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