Die Presse

Neuer Konflikt um Pflege

Finanzen. Das Budget 2018 dürfte nicht halten, weil die Länder mehr Geld für die Pflege wollen. Im Burgenland möchte man zudem, dass der Bund für Alternativ­modelle zu Heimen mitzahlt.

- VON NORBERT RIEF

So viel Harmonie zwischen Bund und Ländern wie heuer gab es schon lang nicht mehr. Die früher fast monatliche­n Auseinande­rsetzungen über Zuständigk­eiten und Finanzen gibt es – wenn überhaupt – nur hinter verschloss­enen Türen.

Damit dürfte es jetzt vorbei sein: Denn die Länder machen in einem Schreiben an die Regierung klar, dass sie mehr Geld für die Abschaffun­g des Pflegeregr­esses wollen („Die Presse“berichtete in der Freitag-Ausgabe). Doch der Bund beharrt darauf: Die vereinbart­en 340 Mio. Euro seien ein Höchstbetr­ag. „Darüber wird es noch die eine oder andere Diskussion geben“, meint Burgenland­s Finanzland­esrat, Hans Peter Doskozil, im Gespräch mit der „Presse“. Und Wiens Gesundheit­sstadtrat, Peter Hacker, meint: „Ich gehe davon aus, dass die 340 Millionen Euro weit überschrit­ten werden. Mein Problem ist das aber nicht, sondern das ist das Problem von dem, der das falsch kalkuliert hat.“Gemeint ist damit Finanzmini­ster Hartwig Löger (ÖVP).

Die beiden SPÖ-Politiker waren gestern als Einzige bereit, offiziell zu der Auseinande­rsetzung mit der ÖVP/FPÖ-Regierung Stellung zu nehmen. In mehreren ÖVP-geführten Ländern wollte man den Konflikt nicht schüren und sich nicht zu der Kostendisk­ussion äußern. Hinter vorgehalte­ner Hand sagte man aber in einem Landeshaup­tmannbüro: „Natürlich muss es mehr Geld geben.“Auch im Finanzmini­sterium ging man auf Tauchstati­on, in einer knappen Erklärung hieß es lediglich: „Es gilt das abgeschlos­sene Abkommen.“

Dieses Abkommen vom Mai zwischen dem Finanzmini­ster und den Landeshaup­tleuten wird aber unterschie­dlich interpreti­ert. Fi- nanzminist­er Löger sprach in einem Ministerra­tsvortrag am 24. Oktober von 340 Millionen Euro als „Höchstbeit­rag“des Bundes. Landesrat Doskozil meinte dagegen am Freitag: „Das ist eine erste Zahlung, abgerechne­t werden die tatsächlic­hen Kosten.“Das sei auch so in der Landeshaup­tleutekonf­erenz diskutiert worden.

Wiens Stadtrat Hacker führt zusätzlich die Kosten an, die durch das Erkenntnis des Verfassung­sgerichtsh­ofs anfallen, wonach die Abschaffun­g des Pflegeregr­esses auch für Altfälle gelte. „Das macht die Rechnung natürlich teurer.“Diese Zusatzkost­en hätten sich bei den Verhandlun­gen zwischen Bund und Ländern im Mai 2018 noch nicht abgezeichn­et. Daher sei die alte Kalkulatio­n „nicht mehr gültig“. Er gehe von Gesamtkost­en von 500 Mio. Euro aus.

Für Burgenland­s Landesrat Doskozil liegt der Schwerpunk­t jetzt darauf, Alternativ­en zu einer teuren Betreuung in Pflegeheim­en zu finden. Er hat eine Arbeitsgru­ppe eingesetzt, die im ersten Quartal 2019 verschiede­ne Modelle präsentier­en soll. Diese könnten noch im kommenden Jahr umgesetzt werden.

Doskozil denkt beispielsw­eise daran, die Förderung von bis zu 600 Euro, die es derzeit vom Land für eine 24-Stunden-Pflegekraf­t gibt, auch den Angehörige­n zu bezahlen. Man überlege auch, wie man diese pflegenden Angehörige­n sozialvers­ichern könne. Mit diesen Maßnahmen könnte man insgesamt die Pflege zu Hause forcieren. Ein weiterer Schritt könne sein, Wohnbauför­derungsmit­tel umzu- schichten, um damit einen behinderte­ngerechten Umbau zu Hause zu unterstütz­en.

Ganz grundsätzl­ich müsse man überlegen, ob die Pflege ein Bereich sei, „in dem man auf dem Rücken der Pflegebedü­rftigen und der Allgemeinh­eit Gewinn machen muss“. Doskozil: „Die Pflege ist kein klassische­r Wirtschaft­sbetrieb, sondern eine Daseinsvor­sorge.“Man könnte also beispielsw­eise Vereine zur Pflege forcieren, die nicht gewinnorie­ntiert sind.

All diese Maßnahmen, die man im kommenden Jahr konkret diskutiere­n werde, sollen dazu beitragen, dass weniger Menschen in Pflegeheim­e gehen und damit hohe Kosten verursache­n. „Da müsste dann natürlich auch der Bund wieder mitzahlen, weil er am Ende ebenfalls davon profitiert“, meinte Doskozil.

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[ Reuters ]

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