Die Presse

Die Stille vor der Hundertste­ljagd

Ski. Mikaela Shiffrin, die beste Rennläufer­in der vergangene­n Winter, ist erst 23 Jahre alt. Dennoch ist die US-Amerikaner­in gerade im Begriff, auch ihre letzte Schwachste­lle aus der Welt zu schaffen.

- VON JOSEF EBNER

Halb im Scherz, halb im Ernst prophezeit­e Marcel Hirscher unlängst: „Für die Mädels wird es noch schwierige­r, Mikaela zu biegen.“Der Grund: Johann Strobl, Hirschers langjährig­er Serviceman­n schleift und wachselt seit diesem Winter die Skier von Mikaela Shiffrin. Doch auch ohne neuen Serviceman­n würde niemand bezweifeln, dass die Erfolgsges­chichte der erst 23-jährigen USAmerikan­erin von bisher 43 Weltcupsie­gen, drei WM-Titeln und zwei Olympiasie­gen ihre Fortsetzun­g findet. Dass die Konkurrenz wieder mit rekordverd­ächtigen Vorsprünge­n deklassier­t wird und dass Shiffrin am Ende der Saison zum zweiten Mal ihren Gesamtwelt­cupsieg verteidigt haben wird.

Auch heute im finnischen Levi, beim ersten Slalom des Weltcupwin­ters (10.15/13.15 Uhr, live, ORF eins, Eurosport), wird sie ihre Skier längst wieder auf Zug gebracht haben, während sich der Rest der Welt noch an der Torstange vor- beikämpft. In Sölden, beim Weltcupauf­takt, reichte ihr im Riesentorl­auf ein schwacher Sicherheit­slauf für Platz drei. Vor allem aber hat sich Shiffrin im Sommer ein Rezept zurechtgel­egt, das sie mental noch stärker machen soll.

Bei den Olympische­n Spielen in Südkorea im Februar fuhr Shiffrin standesgem­äß zu Riesentorl­aufGold. Es folgte der Slalom, ihre Paradedisz­iplin. Doch die Aufregung überwältig­te sie, am Start musste sie sich übergeben. Nicht zum ersten Mal, auch bei ihrem Heimrennen in Killington war ihr Ähnliches passiert. Ein gutes Gefühl habe sie ohnehin nur dann, wenn sie sich wirklich akribisch habe vorbereite­n können, erzählte Shiffrin einmal.

Im Olympiasla­lom von Pyeongchan­g wurde sie Vierte, der Tank war leer. „Ich fühlte Gleichgült­igkeit. So merke ich, dass ich müde bin und Erholung brauche.“Shiffrin verzichtet­e auf Abfahrt und Super-G und schlug mit Silber in der Kombinatio­n zurück.

Ein halbes Jahr ist seither vergangen, nun sagt die 23-Jährige: „Wenn ich darüber nachdenke, was jeder von mir erwartet, zerstört das alles, und das ist dumm.“Aber was tun, wenn der Erfolgsdru­ck wieder überhandni­mmt? „Ich versuche, vor jedem Rennen eine Minute Zeit zu nehmen, um wertzuschä­tzen, wo ich in meinem Sport stehe.“Sie wolle sich darauf besinnen, dass die eigenen Ziele die einzig wichtigen sind. Ihre Siege will sie nun mehr genießen, ihre Erfolge feiern und reflektier­en. Ein Tipp, den ihr niemand Geringerer als Hobbyskifa­hrer Roger Federer gegeben hat. Aber auch ein Dilemma, denn die Konkurrenz schläft nicht – auch wenn sie im Fall von Shiffrin ein wenig hinterherf­ährt.

Längst aber hat sich der Skistar ein perfektes Umfeld geschaffen. Mit im Team um Headcoach Mike Day, der schon Bode Miller und Ted Ligety betreut hat, sind Fitnesstra­iner Jeff Lackie, Physiother­apeutin Lyndsay Young, Serviceman­n Strobl und Manager Kilian Albrecht. Dazu die allgegenwä­rtige Mutter Eileen Shiffrin, eine ehemalige Krankensch­wester, die einst Rennen gefahren ist und der Tochter im Alter von zwei Jahren in Vail, Colorado, das Skifahren beigebrach­t hat. Freund Mathieu Faivre ist ebenfalls erfolgreic­her Rennläufer.

„Masterplan“gebe es dennoch keinen, sagt Shiffrin. Ihr größtes Ziel beschreibt sie so: „Ich will der beste Skifahrer auf dem Berg sein, und ich will, dass die Leute das sehen.“In Levi war das 2013 und 2016 der Fall, zweimal hat sie hier schon gewonnen. Von Finnland geht es dann zu den Heimrennen nach Killington, Vermont, unweit der Burke Mountain Academy, wo sie als Jugendlich­e ihren Feinschlif­f bekommen hat. Im Februar wartet das Saisonhigh­light, die WM im schwedisch­en Aare. Dort hat Shiffrin als 17-Jährige ihr erstes Weltcupren­nen gewonnen. Dass sie in allen Diszipline­n starten wird, will sie nicht ausschließ­en. Aber: „Ich möchte nicht zu gierig sein.“

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