Die Revolution der Gelben Westen
Frankreich. Mit landesweiten Verkehrsblockaden protestieren die Franzosen gegen eine höhere Dieselsteuer – und gegen Macron. In Deutschland droht ein Diesel-Fahrverbot auf einer Autobahn.
So macht man heute in Frankreich Revolution: Jacline Mouraud schimpft vier Minuten lang in ihre Handykamera hinein, über hohe Spritpreise, Strafzettel und Mautgebühren. „Was machen Sie mit der ganzen Kohle, Herr Präsident?“, fragt die 51-Jährige wütend – und liefert die spekulative Antwort gleich mit: Es gehe um neues Geschirr für den E´lyse´ePalast oder ein Schwimmbad für Emmanuel Macron. Sechs Millionen Mal wurde die Tirade auf Facebook aufgerufen. Die Hypnosetherapeutin tingelt von einer Fernsehshow zur nächsten. Et voila:` Sie dient als Galionsfigur für die Verkehrsblockaden, die an diesem Samstag die Straßen in ganz Frankreich lahmlegen sollen, als Protest gegen die Erhöhung der Dieselsteuer ab 1. Jänner.
Mit den Gewerkschaften ist Macron fertig geworden, auch die Eisenbahner konnten seinen Reformelan nicht stoppen. Aber jetzt sind seine Popularitätswerte (mit nur 21 Prozent) im tiefsten Keller, und eine unorganisierte Graswurzelbewegung aus den sozialen Netzwerken rebelliert mit ihrer „Operation Schnecke“in ganz neuer Form gegen das Staatsoberhaupt. Die „Gilets Jaunes“benennen sich nach den obligatorischen Warnwesten, die ihnen als Erkennungszeichen dienen.
Der Auslöser der Revolte wirkt banal: Der Preis von Diesel wird an den von Benzin angepasst, durch eine stärkere Erhöhung der Mineralölsteuer. Nichts Neues unter der gallischen Sonne: Schon Anfang dieses Jahres verteuerte die Regierung den Sprit, weitere Erhöhungen sollen bis 2022 erfolgen. Das wird die Haushalte schließlich 200 bis 500 Euro mehr pro Jahr kosten. Es steht im Programm, unter dem Titel Energiewende, und hat bis vor Kurzem niemanden gestört. Mit aktuell 60 Prozent Steuer auf Treibstoffe (Mineralöl- und Mehrwertsteuer) liegt Frankreich nur knapp über dem EU-Mittel. So kostet der Sprit in Österreich um elf Prozent weniger, in Italien oder Deutschland aber deutlich mehr. Doch mit dem jüngsten Anstieg des Ölpreises – eine vorläufige Spitze wurde Anfang Oktober erreicht – wuchs der Unmut der Franzosen, der nun zum gefährlichen Sturm anschwillt.
Was hat Macron falsch gemacht? Er besteuere lieber Energie als Arbeit, predigt der Präsident. Eine solche Ökologisierung des Steuersystems empfehlen Experten in aller Welt. Aber statt für alle einsichtig zugleich mit der Erhöhung der Treibstoffabgabe eine andere Massensteuer zu senken, verteilt sich der Ausgleich auf kleinere, oft spätere Maßnahmen, die nicht allen zugutekommen. So erhalten Autofahrer, die sich einen schadstoffärmeren Wagen kaufen, eine Prämie von bis zu 4000 Euro. Auch Gebrauchtwagen sind erlaubt. Trotzdem: Nicht jeder kann oder will sich eine solche Anschaffung in nächster Zeit leisten. Auch nicht Mouraud, die einen zehn Jahre alten Diesel-Volvo fährt. Jahrelang hatte die Politik ihr eingeredet, alle sollten Diesel kaufen, weil der umweltfreundlicher sei. Nun beschleicht sie das heftige Gefühl, man habe sie in die Falle gelockt.
Fakt ist: Die Einnahmen, die der Staat an der Tankstelle abzapft, finanzieren nur zu einem Fünftel „grüne“Maßnahmen. Bei den anstehenden Erhöhungen ist es sogar nur ein Zwanzigstel. Der Rest fließt ins allgemeine Budget. Da verwundert es nicht, dass die viel beschworene französische Energiewende bisher wenig ambitioniert ausfällt: Den Rückzug aus der Atomkraft, von der Frankreich sehr stark abhängt, hat auch Macron nur weiter hinausgeschoben.
Ihre liebe Not mit dem Diesel haben auch die Deutschen. Aber in ganz anderer Form: Ein Gericht hat das erste Diesel-Fahrverbot für eine Autobahn verhängt. Ältere Modelle dürfen ab nächstem Sommer nicht mehr auf der A40 durch das Stadtgebiet von Essen fahren. Das Verbot betrifft den zentralen Teil einer Hauptverkehrsstrecke im Ruhrgebiet. Verkehrsminister Andreas Scheuer von der bayerischen CSU hält das Urteil für „unverhältnismäßig“: „Das gibt es nirgendwo anders auf der Welt.“Das Land Nordrhein-Westfalen dürfte in die Berufung gehen. (gau)