Doch kein Gender-Stern
Geschlechtergerechte Sprache. Rechtschreibrat verzichtet vorerst auf Empfehlungen.
Die mit Spannung erwartete Sitzung des Rates für deutsche Rechtschreibung am Freitag in Passau ist ohne konkrete neue Anleitungen für einen geschlechtergerechten Umgang mit der Sprache zu Ende gegangen. Das aus Fachleuten und Schreibenden aus allen deutschsprachigen Ländern zusammengesetzte Gremium hat einstimmig eine Empfehlung beschlossen, in der zwar zu einer angemessenen sprachlichen Bezeichnung auch solcher Menschen geraten wird, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugehörig fühlen. Darüber hinaus stellt der Rat aber bloß fest, dass es in der geschriebenen Sprache verschiedene Ausdrucksmittel gebe (z. B. Unter- strich, Asterisk), ohne einem davon den Vorzug einzuräumen.
Der Rat erinnerte an jene sechs Kriterien, die er bereits im Juni in Wien für eine geschlechtergerechte Sprache formuliert hatte: Texte sollen sachlich korrekt, verständlich und lesbar sowie vorlesbar sein; sie sollen ferner Rechtssicherheit und Eindeutigkeit gewährleisten, übertragbar sein (in andere Amts- und Minderheitensprachen) und für die Lesenden und Hörenden die Konzentration auf das Wesentliche ermöglichen.
Entscheidungen der Verfassungsgerichte Deutschlands (2017) und Österreichs (2018) haben die Diskussion über die Gender-Sprache neu angeheizt: Personen, die sich weder dem männli- chen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen, haben Anspruch auf eine eigene Geschlechtsbezeichnung in den Personenstandsregistern (z. B. divers).
Wie Ratsvorsitzender Josef Lange am Freitag auf einer Pressekonferenz erläuterte, reichen die bisherigen Beobachtungen des Schreibgebrauchs noch nicht aus, um eine Empfehlung für bestimmte Varianten abzugeben. „Die Sprache ist ein lebendig Ding“, sagte Lange. Er rechnet mit einem klareren Bild erst in vier bis fünf Jahren. Lange betonte, dass der Rechtschreibrat nicht zur Aufgabe habe, Gesellschaftspolitik zu betreiben. Der Rat kann Empfehlungen nur anhand des beobachteten Sprachgebrauchs abgeben. (kom)