Geht doch nächsten Samstag beim Marsch fürs Leben mit!
Die Bagatellisierung von Abtreibung ist ein Holzweg des Feminismus. Profitiert haben davon vorwiegend Männer.
A m nächsten Samstag gehe ich beim „Marsch fürs Leben“mit. Die Demo, die am 24. November um 13 Uhr vom Stephansplatz startet, darf nicht mit dem „Marsch für die Familie“verwechselt werden. Letzterer ist ein winziger rechter Event. Im Juni 2017, als die Regenbogenparade 185.000 Menschen auf den Wiener Ring lockte, zog er gerade mal 100 Leute an. Der Marsch fürs Leben hingegen ist neu, er wird ungleich größer und breiter. Er hat den Segen der Kirche, Weihbischof Turnovszky liest ein Pontifikalamt.
So lang ist uns „Mein Bauch gehört mir“eingebläut worden, dass ich mich als Mann unkomfortabel fühlen werde. Ich bin zwar nur Mitläufer, eine Frau hat mich angestiftet, und der Marsch wird von Frauen organisiert, gerade auch von solchen, die Frauen in Konfliktschwangerschaften unterstützen. Dennoch wäre es mir lieber, wenn Frauen das Thema unter sich ausmachen würden.
Ich wäre sofort für ein Referendum, in dem nur Frauen über das Abtreibungsrecht befinden. Das könnte allerdings unerwartet ausgehen. Nach Umfragen, die UK Polling Report, YouGov und Angus Reid durchgeführt haben, sind 24 bis 35 Prozent der männlichen Briten für eine Beschränkung von Abtreibung, aber 46 bis 59 Prozent der Britinnen. Nur 35 Prozent der Männer, aber 53 Prozent der Frauen sehen die Empfängnis als Beginn des Lebens an.
Ich vermute, das hat mit dem Fortschritt zu tun. Heute schicken einander werdende Mütter Ultraschallfotos zu. Der Fötus auf dem Foto sieht wie ein Mensch aus, scheint manchmal gar zu winken. In den 1970er-Jahren konnte man den Leuten leichter einreden, das wäre ein Zellhaufen. In dieser Stimmungslage müssen Feministinnen alten Zuschnitts hoffen, dass Männer über das Abtreibungsrecht bestimmen.
Ich halte die Bagatellisierung von Abtreibung für den finstersten Holzweg des Feminismus. Profitiert haben davon vorwiegend Männer, die Freiheit zur Abtreibung hat ihnen Sex ohne Verpflichtungen verschafft. Der Mann hat den Genuss, die Frau das Trauma. Christlich gesprochen lädt die Schuld an dieser Todsünde oft ein Mann auf sich. Säkular gesprochen widerspricht die Abtreibungsdoktrin den meisten anderen Wertvorstellungen unserer Kultur. Z um Beispiel hat ausgerechnet die Zivilisation, die Behinderte achtet wie keine zuvor, behindertes Leben weitgehend ausgerottet. Dank Innovationen wie dem Nackenfaltentest gibt es in Europa praktisch keine Kinder mit Down-Syndrom mehr. Sie werden abgetrieben. Ein weiteres Beispiel ist der globale Feminizid – die überwältigende Mehrheit des abgetriebenen Lebens ist weiblich. Natürlich finden unsere Feministinnen die Frauenfeindlichkeit chinesischer und indischer Eltern entsetzlich. Es ist jedoch Fakt, dass Abtreibung das Auslöschen weiblichen Lebens leicht macht. In Asien fehlen 163 Millionen Frauen. Sie wurden abgetrieben.
All das sind unangenehme Themen. Abtreibung ist aber keine Errungenschaft, Abtreibung ist ein Elend. Eine Zivilisation, die wie keine zuvor die Rechte von Kindern schützt, erklärt die Beendigung desselben Kinderlebens im Mutterleib zu einem Recht.
Ich bin nicht derjenige, der das perfekte Gesetz in der Schublade hat. Wenn es gelänge, nach Jahrzehnten der Sakrosanktstellung eine Diskussion anzustoßen, wäre schon etwas gewonnen. Es droht nicht die Rückkehr der Engelmacherinnen, auch Nachdenken kann Leben retten. Deswegen gehe ich nächsten Samstag mit.