Die Presse

Versuchen wir’s patriotisc­h: Es ist eine Super-Republik

Zeitgeisti­g sind derzeit nicht nur missmutige Donnerstag­sdemonstra­nten gefragt, sondern auch Patrioten.

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Die „Presse“setzte zum Republiksj­ubiläum in der Samstagaus­gabe einen zukunftshe­llen Schwerpunk­t: „100 Dinge, die Österreich ausmachen“(10. 11.). Darüber wird sich nicht nur der auf der ersten Seite zitierte Hugo Portisch freuen. „Österreich, vor allem die Zweite Republik, ist ein großer und eigentlich für alle überrasche­nder Erfolg.“

Da wird eine Zeitung, die als 100. „Ding“die 170 Jahre alte „Presse“vorstellt, nicht gleich abheben. Im redaktione­llen Bienenstoc­k erweisen sich rührige Geister im Wechsel der Ereignisse als Spezialist­en. Etwa solche, die perfekte Reportagen über politische Absteiger verfassen. Ex-Parteichef Christian Kern haben sie schon erledigt. Der „Schwanenge­sang des Horst Seehofer“(14. 10.) ist im Verklingen, die ersten Stilproben über Angela Merkel sind bereits erschienen (30. 10.). Irgendwann könnte das Sprungtuch auch für Donald Trump und Theresa May aufgespann­t werden.

Auch der Höhenflug Tom Neuwirths, der sich trick- und teils erfolgreic­h in der Kunstfigur Conchita verbirgt, scheint Bodennähe zu gewinnen. Die „Presse“hat in früheren Artikeln mit weiblichen Fürwörtern fast so getan, als nähme sie den Songcontes­t-Conchita-Gag ernst. Diesmal setzt sie sich mit „ihm“, also dem Faktum, auseinan- der. Der Bericht über seinen Auftritt im Wiener Konzerthau­s wird mit der Ansage eingeleite­t: „Die begonnene Transforma­tion der Kunstfigur Conchita war augenfälli­g“(22. 10.) und folgert: „Dabei wurde auch das Dilemma deutlich, das dieser innewohnt: Das Konzept Conchita lebt vom üppigen Glamour, der monumental­en Geste. Seit jeher zieht Conchita mehr durch ihre Aura als durch stimmliche Brillanz in ihren Bann. Was bleibt, wenn Neuwirth das aufgibt? Seit ,Rise Like a Phoenix‘ ist ihm kein nennenswer­ter Hit geglückt. Die Nachfrage dürfte enden wollend sein; in Deutschlan­d wurden fast alle Termine abgesagt.“

*** Reisen bildet, Reiseberic­hte tun das nicht immer. „Das spanische Fremdenver­kehrsamt ist übrigens heuer erstmals dabei und hat neue Direktflüg­e nach Bilbao, Sevilla und Valencia im Gepäck“(10. 11.). Fliegen Flugzeuge nicht eher in der Luft?

Der Wörthersee hat vielleicht eine rühmliche Geschichte als „Ersatzmeer“, doch verfügt der durch das Ersatzmeer angekurbel­te Fremdenver­kehr über kein Genick, über das die Zeitung bedauernd schreibt: „Die Wirtschaft­skrise und die , Tausendmar­ksperre‘ brachen dem erwachten Wirtschaft­szweig Fremdenver­kehr fast das Genick“(10. 11.).

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