3500 Jahre alte Exkremente aus dem Bergwerk
Mit modernen DNA-Analysen werden menschliche Hinterlassenschaften aus den Salzminen bei Hallstatt erforscht. Sie erlauben Wissenschaftlern tiefe Einblicke in den Alltag und die Gesundheit der Menschen aus der Bronzezeit.
Die Gegend am südlichsten Zipfel Oberösterreichs, nahe der Grenze zur Steiermark, ist der Inbegriff einer Postkartenidylle. Hier schmiegt sich der Hallstätter See an den Fuß des Dachsteingebirges, an seinem Ufer drängen sich holzgetäfelte Häuser, überragt von den zwei Kirchen beider Konfessionen, die sich im Wasser spiegeln. Einheimische findet man nur wenige, Touristen dafür umso mehr.
Es sind jedoch nicht nur Reisende, die nach Hallstatt pilgern, auch für die Archäologie ist die Region ein regelrechtes Mekka. Zu verdanken ist das dem Rohstoff, der seit jeher Menschen an die engen, für die Landwirtschaft völlig ungeeigneten Seeufer gelockt hat: Salz. Bereits in der Bronzezeit wurde es in unterirdischen Bergwerken abgebaut, und seitdem haben sich die Hinterlassenschaften der Bergarbeiter in den Minen erhalten, von der Zeit scheinbar unberührt.
bezeichnet die Gesamtheit der Mikroorganismen – also Bakterien, Viren, Pilze und andere Einzeller – die auf und in einem Menschen, vor allem in seinem Darm, leben. Exkremente (selbst prähistorische, s. Bild) geben Aufschluss über seine Zusammensetzung. Viele Faktoren, wie Ernährung, Genetik oder Umwelt, haben Einfluss auf das Mikrobiom. Die genauen Mechanismen sind in weiten Teilen noch unerforscht, dem Mikrobiom wird aber eine zentrale Bedeutung für die Gesundheit zugeschrieben.
Die Bedingungen für ihre Konservierung sind hier ideal: Das Salz wirkt bakterizid, tötet Mikroben also ab, bevor sie Schaden anrichten können – den gleichen Effekt nutzt man auch beim Pökeln verderblicher Speisen. Organische Substanzen wie Speisereste, Kleidung aus Leder oder Wolle, selbst die Ausscheidungen der hier Arbeitenden bleiben über Jahrtausende nahezu unverändert.
Für die Archäologie ist das ein Glücksfall, an nur zwei anderen Orten der Welt – ebenfalls Salzbergwerke im österreichischen Dürrnberg und im iranischen Chehrabad – haben sich prähistorische Fundstücke ähnlich gut erhalten. „Normalerweise beschäftigt man sich in der Archäologie nur mit Keramik, Knochen oder Stein, also Dingen, die nicht verrotten. Dabei besteht die materielle Kultur der menschlichen Urgeschichte zu über 90 Prozent aus organischen Materialien, die man nur unter diesen speziellen Bedingungen findet“, sagt die Archäologin Kerstin Kowarik vom Naturhistorischen Museum in Wien.
Unter den zahlreichen Fundstücken gehören die Exkremente der Bergleute zu den aufschlussreichsten. „Man erfährt faszinierende Details über die Lebensbedingungen und den Gesundheitszustand dieser Menschen“so Kowarik. „Unter dem Mikroskop kann man beispielsweise starken Wurmbefall erkennen, der ihr Leben mit Sicherheit beeinträchtigt hat.“
Wie groß diese Beeinträchtigung durch die Schmarotzer tatsächlich war, hängt vor allem von der Spezies ab. So sei ein Rinderbandwurm relativ harmlos, der unter dem Mikroskop nicht zu unterscheidende Schweinebandwurm dagegen oft tödlich, erklärt Julia Walochnik von der Medizinischen Universität Wien, die aus diesem Grund die archäologische Erforschung der Hallstätter Kot- proben erstmals durch DNA-Analysen unterstützt. Damit ließe sich auch klären, auf welche Weise die Parasiten übertragen worden sind, was Rückschlüsse auf die hygienischen Verhältnisse und die Ernährung erlaubt. Mit modernsten Sequenziermethoden soll in einem nächsten Schritt auch das Mikrobiom (siehe Lexikon) der Bergleute untersucht werden.
Die gefundenen Exkremente stammen aus verschiedenen Epochen, die Jahrhunderte auseinander liegen. Für Kowarik, die sich im Projekt „Facealps“mit der Beziehung zwischen Mensch und Umwelt der Hallstätter Region in den vergangenen 3500 Jahren beschäftigt, ein besonders interessanter Aspekt. Das von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften finanzierte Forschungsvorhaben soll ergründen, wie die Menschen über die Jahrtausende diese zum Unesco-Welterbe erklärte Landschaft verändert haben. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Umgang mit Naturgefahren, so Kowarik: „Der Berg- bau kam durch extreme Naturereignisse immer wieder zum Erliegen. Wie kamen die Menschen damit zurecht? Wurde die Gegend verlassen und Jahrhunderte später neu besiedelt, oder sind die Bergleute geblieben?“
Durch die genetischen Daten hofft die Forscherin Antworten auf solche Fragen zu finden und mit den Ergebnissen weiterer interdisziplinärer Forschungen, wie geologischen Bohrungen, geophysikalischen Messungen und Pollenanalysen, in Einklang zu bringen.