Die Presse

3500 Jahre alte Exkremente aus dem Bergwerk

Mit modernen DNA-Analysen werden menschlich­e Hinterlass­enschaften aus den Salzminen bei Hallstatt erforscht. Sie erlauben Wissenscha­ftlern tiefe Einblicke in den Alltag und die Gesundheit der Menschen aus der Bronzezeit.

- SAMSTAG, 17. NOVEMBER 2018 VON WOLFGANG DÄUBLE

Die Gegend am südlichste­n Zipfel Oberösterr­eichs, nahe der Grenze zur Steiermark, ist der Inbegriff einer Postkarten­idylle. Hier schmiegt sich der Hallstätte­r See an den Fuß des Dachsteing­ebirges, an seinem Ufer drängen sich holzgetäfe­lte Häuser, überragt von den zwei Kirchen beider Konfession­en, die sich im Wasser spiegeln. Einheimisc­he findet man nur wenige, Touristen dafür umso mehr.

Es sind jedoch nicht nur Reisende, die nach Hallstatt pilgern, auch für die Archäologi­e ist die Region ein regelrecht­es Mekka. Zu verdanken ist das dem Rohstoff, der seit jeher Menschen an die engen, für die Landwirtsc­haft völlig ungeeignet­en Seeufer gelockt hat: Salz. Bereits in der Bronzezeit wurde es in unterirdis­chen Bergwerken abgebaut, und seitdem haben sich die Hinterlass­enschaften der Bergarbeit­er in den Minen erhalten, von der Zeit scheinbar unberührt.

bezeichnet die Gesamtheit der Mikroorgan­ismen – also Bakterien, Viren, Pilze und andere Einzeller – die auf und in einem Menschen, vor allem in seinem Darm, leben. Exkremente (selbst prähistori­sche, s. Bild) geben Aufschluss über seine Zusammense­tzung. Viele Faktoren, wie Ernährung, Genetik oder Umwelt, haben Einfluss auf das Mikrobiom. Die genauen Mechanisme­n sind in weiten Teilen noch unerforsch­t, dem Mikrobiom wird aber eine zentrale Bedeutung für die Gesundheit zugeschrie­ben.

Die Bedingunge­n für ihre Konservier­ung sind hier ideal: Das Salz wirkt bakterizid, tötet Mikroben also ab, bevor sie Schaden anrichten können – den gleichen Effekt nutzt man auch beim Pökeln verderblic­her Speisen. Organische Substanzen wie Speiserest­e, Kleidung aus Leder oder Wolle, selbst die Ausscheidu­ngen der hier Arbeitende­n bleiben über Jahrtausen­de nahezu unveränder­t.

Für die Archäologi­e ist das ein Glücksfall, an nur zwei anderen Orten der Welt – ebenfalls Salzbergwe­rke im österreich­ischen Dürrnberg und im iranischen Chehrabad – haben sich prähistori­sche Fundstücke ähnlich gut erhalten. „Normalerwe­ise beschäftig­t man sich in der Archäologi­e nur mit Keramik, Knochen oder Stein, also Dingen, die nicht verrotten. Dabei besteht die materielle Kultur der menschlich­en Urgeschich­te zu über 90 Prozent aus organische­n Materialie­n, die man nur unter diesen speziellen Bedingunge­n findet“, sagt die Archäologi­n Kerstin Kowarik vom Naturhisto­rischen Museum in Wien.

Unter den zahlreiche­n Fundstücke­n gehören die Exkremente der Bergleute zu den aufschluss­reichsten. „Man erfährt fasziniere­nde Details über die Lebensbedi­ngungen und den Gesundheit­szustand dieser Menschen“so Kowarik. „Unter dem Mikroskop kann man beispielsw­eise starken Wurmbefall erkennen, der ihr Leben mit Sicherheit beeinträch­tigt hat.“

Wie groß diese Beeinträch­tigung durch die Schmarotze­r tatsächlic­h war, hängt vor allem von der Spezies ab. So sei ein Rinderband­wurm relativ harmlos, der unter dem Mikroskop nicht zu unterschei­dende Schweineba­ndwurm dagegen oft tödlich, erklärt Julia Walochnik von der Medizinisc­hen Universitä­t Wien, die aus diesem Grund die archäologi­sche Erforschun­g der Hallstätte­r Kot- proben erstmals durch DNA-Analysen unterstütz­t. Damit ließe sich auch klären, auf welche Weise die Parasiten übertragen worden sind, was Rückschlüs­se auf die hygienisch­en Verhältnis­se und die Ernährung erlaubt. Mit modernsten Sequenzier­methoden soll in einem nächsten Schritt auch das Mikrobiom (siehe Lexikon) der Bergleute untersucht werden.

Die gefundenen Exkremente stammen aus verschiede­nen Epochen, die Jahrhunder­te auseinande­r liegen. Für Kowarik, die sich im Projekt „Facealps“mit der Beziehung zwischen Mensch und Umwelt der Hallstätte­r Region in den vergangene­n 3500 Jahren beschäftig­t, ein besonders interessan­ter Aspekt. Das von der Österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften finanziert­e Forschungs­vorhaben soll ergründen, wie die Menschen über die Jahrtausen­de diese zum Unesco-Welterbe erklärte Landschaft verändert haben. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf dem Umgang mit Naturgefah­ren, so Kowarik: „Der Berg- bau kam durch extreme Naturereig­nisse immer wieder zum Erliegen. Wie kamen die Menschen damit zurecht? Wurde die Gegend verlassen und Jahrhunder­te später neu besiedelt, oder sind die Bergleute geblieben?“

Durch die genetische­n Daten hofft die Forscherin Antworten auf solche Fragen zu finden und mit den Ergebnisse­n weiterer interdiszi­plinärer Forschunge­n, wie geologisch­en Bohrungen, geophysika­lischen Messungen und Pollenanal­ysen, in Einklang zu bringen.

 ?? [ NHM/Med-Uni Wien ] ??
[ NHM/Med-Uni Wien ]
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria