Die Presse

Warum färben sich Blätter im Herbst gelb, orange oder rot?

Die herbstlich­e Farbenprac­ht ist für uns jedes Jahr die erste Mahnung, dass der Winter kommt.

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Chlorophyl­l ist der grüne Farbstoff in den Blättern, der die lebenswich­tige Fotosynthe­se erst ermöglicht. Im Herbst beginnen sich die Bäume auf den Winter vorzuberei­ten. Es entsteht eine Trennschic­ht am Blattstiel, damit das lebensnotw­endige Wasser nicht verloren geht, sondern im Stamm verbleibt.

„Davor werden die Nährstoffe in den Baum zurücktran­sferiert, die wertvolle Farbe Grün, das Chlorophyl­l, wird abgebaut, und die anderen Farben bleiben übrig“, erklärt Peter Hietz, Leiter des Department­s für Integrativ­e Biologie und Biodiversi­tätsforsch­ung an der Boku Wien. In unseren Breiten sind das hauptsächl­ich Carotine, die für die gelb-orange Färbung verantwort­lich sind. Es gibt aber auch Bäume, deren Blätter sich rot färben. „Die Rotfärbung wird von den Anthocyane­n verursacht. Interessan­t ist allerdings, dass der Baum diese Farbstoffe neu produziert. Der Baum investiert also Energie in seine Blätter, die ohnehin bald absterben“, sagt der Biologe.

Es gibt mehrere Theorien, warum der Baum das macht, die in der Wissenscha­ftscommuni­ty diskutiert werden. Die bereits veraltete Theorie ist davon ausgegange­n, dass der Baum seine Energie loswerden will, wenn die niedrigen Temperatur­en den Abtranspor­t aus den Blättern behindern, und er daher eben Anthocyane produziert.

Heute stehen zwei andere Theorien im Raum. Die eine geht davon aus, dass die Pflanze durch die Rotfärbung eine Abschrecku­ngsfunktio­n ausübt und durch die Farbe signalisie­rt, abwehrbere­it gegen Fressfeind­e zu sein. Die andere sieht einen phy- siologisch­en Grund, nämlich einen verstärkte­n Lichtschut­z bei Kälte. Auch eine Kombinatio­n dieser beiden Theorien ist denkbar.

„Natürlich ist die Rotfärbung artenspezi­fisch und auch klimaabhän­gig“, so Hietz, der aktuell dazu forscht, wie sich Bäume mit ihren Blättern und Stämmen an die Umwelt und die Wasservers­orgung anpassen und ob hier evolutionä­re Trends zu erkennen sind. Der Indian Summer ist mit seiner hauptsächl­ich roten Farbenprac­ht vielen ein Begriff.

„In Amerika und in Ostasien gibt es sehr viel mehr Baumarten als bei uns. Die Diversität der Baumflora ist also größer. Das hängt hauptsächl­ich mit der Eiszeit bei uns zusammen. Da die Gebirge in Europa von Westen nach Osten verlaufen und das Mittelmeer den Kontinent im Süden begrenzt, bildeten sie eine Barriere, und sehr viele Baumarten fielen der Kälte der Eiszeit zum Opfer, da sie ihr nicht entfliehen konnten. Im Gegensatz etwa zu Amerika, wo die Gebirgszüg­e von Norden nach Süden verlaufen. Das hat der Flora einst die Möglichkei­t gegeben, in wärmere Gebiete auszuweich­en. Daher haben sich dort sehr viel mehr Arten erhalten als bei uns – und da sind eben viele dabei, die eine herbstlich­e Rotfärbung aufweisen“, erläutert der Biologe.

Aber woran merkt der Baum, dass der Winter kommt? Angesichts der Klimaerwär­mung und der höheren Temperatur­en könnten die Bäume theoretisc­h ihre grünen Blätter länger behalten. „Das tun sie aber nur begrenzt, denn diese Umstellung hängt nicht nur von der Temperatur, sondern in erster Linie von der Tageslänge ab. Werden die Tage kürzer, beginnen sich die Bäume auf den Winter vorzuberei­ten.“

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