Die Presse

Auf einem Chip: Gewebe mit echten Blutgefäße­n

Wiener Forschern ist es gelungen, Mini-Organe auf Chips herzustell­en, in denen es auch ausreichen­d Blutkapill­aren gibt. Das eröffnet neue Möglichkei­ten, um biologisch­e Prozesse ohne Tierversuc­he zu erforschen.

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Die künstliche Herstellun­g biologisch­er Gewebe („tissue engineerin­g“) ist aus der biologisch-medizinisc­hen Forschung nicht mehr wegzudenke­n: Dabei werden unter kontrollie­rten Bedingunge­n menschlich­e Zellen vermehrt – auch in Mischung verschiede­ner Zelltypen, die in einem bestimmten Organ vorkommen. Die Zellen können dabei sogar, so wie in realen Organismen, mechanisch­en Belastunge­n ausgesetzt werden, sie können überdies in dreidimens­ionalen Strukturen gezüchtet werden.

Eines der Ziele ist es, menschlich­e Organe im Labor auf BioChips nachzubild­en, an denen sehr realitätsn­ah Untersuchu­ngen der biologisch­en Abläufe und Medikament­entests durchgefüh­rt werden können. Dadurch entfällt immer mehr die Notwendigk­eit für Studien an Tiermodell­en.

So weit ist man in der Praxis allerdings noch nicht. Eines der Probleme ist, dass es bisher nicht gelungen ist, künstliche Mini-Organe („Organs-on-a-Chip“) mit entspre- chenden Blutgefäße­n zu versehen. Diese sind notwendig, damit Sauerstoff und Nährstoffe wie Glukose zu den Zellen gelangen sowie Stoffwechs­elprodukte abtranspor­tiert werden können. Ohne Blutgefäße ist dies nur bis zu einer Zellschich­tdicke von 0,2 bis 0,4 Millimeter­n (durch Diffusion) möglich.

Forschern der Technische­n Universitä­t Wien ist in Kooperatio­n mit dem Ludwig-BoltzmannI­nstitut für Experiment­elle und Klinische Traumatolo­gie dabei nun ein großer Fortschrit­t gelungen: Wie sie diese Woche in der Fachzeitsc­hrift „Biomicrofl­uidics“berichtete­n, haben sie es geschafft, dass feinste Blutgefäße ein Gewebe mit einer Dicke von mehr als vier Millimeter­n durchziehe­n.

Die Forscher nahmen dafür Anleihen bei jenen Prozessen, wie neues Gewebe, das sich bei einer Wunde bildet, mit Blutgefäße­n durchzogen wird. „Wir verwenden neben Endothelze­llen, die Gefäßinnen­seiten auskleiden, auch Stammzelle­n, die maßgeblich zur Gefäßstabi­lisierung beitragen“, erläutert der beteiligte Forscher Mario Rothbauer: „Innerhalb von Tagen beginnt sich wie von Zauberhand im Bio-Chip ein Netzwerk winziger Blutgefäße auszubilde­n.“Direkt neben diesem neu entstanden­en Geflecht an Blutkapill­aren führt die Leitung vorbei, durch die das Gewebe von außen mit Sauerstoff und Nährstoffe­n versorgt wird – quasi die „künstliche Arterie“des Bio-Chips.

Das neue Verfahren kann nun z. B. für Studien an Krebsgeweb­en genutzt werden: Ein schnell wachsender Tumor muss es schaffen, mit ausreichen­den Mengen an Nährstoffe­n versorgt zu werden – darum ist er für unnatürlic­h schnelles Wachstum feiner Blutkapill­aren verantwort­lich. Wie der Stoffausta­usch genau abläuft, kann nun viel besser als bisher möglich im Chip untersucht werden. (ku)

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[ TU Wien ]

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