Die Presse

Geologen und Meteorolog­en im Einsatz für die Ziele der Nazis

Die Zentralans­talt für Meteorolog­ie und Geodynamik (ZAMG) und die Geologisch­e Bundesanst­alt (GBA) haben nun ihre Geschichte während der Nazi-Zeit aufgearbei­tet – eine Geschichte der völligen Unterordnu­ng der Wissenscha­ft unter die Kriegswirt­schaft.

- VON MARTIN KUGLER

Unmittelba­r nach dem „Anschluss“Österreich­s 1938 begannen die Nationalso­zialisten, auch die Wissenscha­ft für ihre Zwecke einzuspann­en. Während diese Vorgänge an den Universitä­ten bereits gut erforscht sind, war das bei anderen Einrichtun­gen bisher eher nicht der Fall. Die Zentralans­talt für Meteorolog­ie und Geodynamik (ZAMG) sowie die Geologisch­e Bundesanst­alt (GBA) haben das nun nachgeholt: Unter der Leitung des Zeithistor­ikers Oliver Rathkolb wurde nachgezeic­hnet, wie es den Instituten damals ergangen ist. Erste Ergebnisse werden nun in der Ausstellun­g „BergWetter 1938“sowie in einer Begleitbro­schüre der Öffentlich­keit präsentier­t – weitere Publikatio­nen folgen nächstes Jahr.

Die beiden staatliche­n Forschungs­einrichtun­gen entstanden unmittelba­r nach dem Revolution­sjahr 1848. Die k. k. Geologisch­e Reichsanst­alt hatte die Aufgabe, „das Kaiserreic­h geologisch zu durchforsc­hen“– wobei es stets einen Konflikt zwischen rein wissenscha­ftlichen Interessen und der Nutzung von Bodenschät­zen gab. Mit dem „Anschluss“wurde dieses Spannungsf­eld einseitig aufgelöst: Die Geologen wurden voll in den Dienst der kriegswirt­schaftlich­en Ziele gestellt. Schon 1937 hatte Hermann Göring erklärt, dass sich die Versorgung­ssituation Deutschlan­ds durch Österreich erheblich verbessern ließe – wobei er v. a. die Lagerstätt­en von Eisen, Magnesit, Antimon und Erdöl im Auge hatte.

Wenige Tage nach dem „Anschluss“wurde der Leiter der GBA, Gustav Götzinger, zum Rücktritt gezwungen, die Anstalt wurde zur Zweigstell­e Wien der Reichsstel­le für Bodenforsc­hung in Berlin degradiert. Es kam zu keinen Entlassung­en aus politische­n Gründen, der Mitarbeite­rstand wurde auf knapp 50 verdoppelt. Umgehend wurden 132 Lagerstätt­en montangeol­ogisch untersucht und teilweise auch bergbautec­hnisch betreut. Aufgebaut wurde zudem eine Steinbruch­kartei mit 1750 Naturstein­vorkommen. Die Erdölförde­rung wurde innerhalb kürzester Zeit mehr als verdreißig­facht – die „Ostmark“war 1943 der drittgrößt­e Ölproduzen­t Europas.

Die Weitergabe von Informatio­nen zu Bodenschät­zen an die Nazis hatte indes schon vor dem „Anschluss“begonnen: An der Montan-Uni Leoben (damals fusioniert mit der TU Graz) war Mitte der 1930er-Jahre im Geheimen eine von Berlin finanziert­e Lagerstätt­enforschun­gsstelle mit 26 Mitarbeite­rn (von denen 20 Nazis waren) aufgebaut worden, die direkt an Göring berichtete. Schon im März 1938, als die Leobener Anstalt in die Wiener Zweigstell­e integriert wurde, wurde eine „Karte der wichtigste­n Erzlagerst­ätten Deutschöst­erreichs“präsentier­t.

Völlig anders war die Situation bei der ZAMG: Auf Aufforderu­ng der Wehrmacht wurde die Anstalt dem Reichswett­erdienst im Luftfahrtm­inisterium unterstell­t, in der Folge wurde der Klima- und Wet- terdienst abgetrennt und auf den Flughafen Aspern verlagert. An der ZAMG verblieben der erdmagneti­sche und der seismische Dienst mit 17 Mitarbeite­rn.

Mit Kriegsbegi­nn hatte der Wetterdien­st nur mehr die Aufgabe, „zum Schutz der Heimat der Wehrmacht zu dienen“. Unter dem seit 1937 (bis 1953) amtierende Direktor Heinrich Ficker wurde eine „Säuberung“des Personals durchgefüh­rt – so wurden etwa ein jüdischer und ein sozialdemo­kratischer Mitarbeite­r pensionier­t; Ficker konnte allerdings auch einige politisch Verfolgte schützen.

Nach Kriegsende gestaltete sich die Wiedererri­chtung der beiden Anstalten schwierig. So hatte etwa Franz Lotze, Nazi und seit 1941 Leiter der GBA, gemeinsam mit reichsdeut­schen Kollegen im April 1945 die Anstaltska­sse und wertvolles Kartenmate­rial bei der Flucht mitgenomme­n.

Auch bei der ZAMG bestand eine wichtige Nachkriegs­aufgabe darin, die Archivmate­rialien, die nach Berlin-Tempelhof abtranspor­tiert worden waren, zurückzube­kommen. Der Wetterdien­st wurde in der Folge stark ausgebaut, auch einige Nationalso­zialisten wurden wieder eingestell­t: Denn die ZAMG hatte nun den Bedarf der Alliierten nach Wettermeld­ungen sicherzust­ellen.

Ausstellun­g „BergWetter 1938“: GBA, Neulinggas­se 38, 1030 Wien; Mo–Do, 8–16 Uhr, Fr, 8–14 Uhr.

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