Die Presse

Zu Fuß nach Montagnola

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PQrag, Mitte der 1930er-Jahre, ein Konzertabe­nd. Zwei Männer laufen einander in der Pause in die Arme, sie kennen einander nicht. Der Jüngere, ein Kunststude­nt, stammt aus einer wohlhabend­en Berliner Textilfabr­ikantenfam­ilie, doch wurde ihm gerade die familiäre finanziell­e Unterstütz­ung gestrichen. Auch der etwas Ältere kämpft ums Überleben. Als Skisportle­r getarnt, flüchtete er erst vor Kurzem vor den Nazis von Berlin über das Erzgebirge nach Prag.

Die beiden stellen eine Fülle an Gemeinsamk­eiten fest: Das Gespräch, das an jenem Abend beginnt, bricht trotz mancher politische­r Differenze­n in späteren Jahren nicht mehr ab. Während sich der eine mittels Fantasie und Leinwand aus dem Alltag und seinen Existenz- und Todesängst­en flüchtet, rettet sich der andere schreibend in seine Utopien von einer besseren Welt. Der junge Maler hat allerdings nur Spott übrig, wenn er den blonden Berliner schwärmen hört. Gleichzeit­ig bewundert er den Schreiber: So hat dieser binnen kurzer Zeit einen Pressedien­st aufgezogen und schickt wöchentlic­h acht bis zehn Artikel an deutschspr­achige Zeitungen in Gebieten, die noch nicht vom NS-Apparat überwacht werden.

In seiner Freizeit schmiedet der Schreiber Pläne für eine rosigere Zukunft. Er meint, er wolle einmal große Werke und politische Analysen schaffen, während sich der weniger selbstbewu­sste Maler nicht vorstellen kann, dass er je das Machtgeran­gel in seiner Kunst behandeln würde. Doch diese Unstimmigk­eiten bringen die beiden nicht auseinande­r. Gemeinsam reisen sie in die Schweiz und marschiere­n von Zürich aus nach Montagnola, um einen ihrer Lieblingsd­ichter zu besuchen.

Dann trennen sich ihre Wege: Der Schreiber übersiedel­t in die Schweiz, später in die USA und kehrt erst Ende der 1950er-Jahre nach Europa zurück, wo er seinen Kampf gegen zerstöreri­sche Technologi­en weiterführ­t. Der Maler verlebt die NS-Zeit im schwedisch­en Exil und avanciert zu einem der wichtigste­n Autoren seiner Zeit. Ohne seine Ermittlung­en wäre die deutsche Nachkriegs­literatur nicht denkbar.

Wer traf wen? Welchen Dichter besuchten die beiden? Mit welchen Büchern wurden sie jeweils berühmt? Durch welches politische Ereignis wurde der Ältere in Österreich bekannt?

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