Die Presse

Strategien gegen das Generation­en-Wadelbeiße­n

Gräben überwinden. Babyboomer haben Angst, von Millennial­s und/oder Künstliche­r Intelligen­z ersetzt zu werden. Millennial­s wollen sichere 35-Stunden-Jobs mit Top-Karrierech­ancen, die sich ihrem Leben anpassen.

- VON ANDREA LEHKY

Es ist nicht leicht, zwischen 45 und 65 Jahren alt zu sein. Ein Leben lang hat ein solcher Babyboomer mit der Leistungsk­ultur Schritt gehalten, mit Krisen, Schnellleb­igkeit und ständig neuen Herausford­erungen. Und dann taucht „Sophie, 25, Influencer­in, kreativ, doppelter Studienabs­chluss, multilingu­al“auf und sägt an seinem Sessel, ohne Respekt vor seiner Weisheit und Erfahrung. Weil sie sich ihm in Bildungsst­and und digitaler Kompetenz überlegen fühlt.

So beschreibt das Whitepaper „Gräben überwinden“der Strategieb­eratung Brand Trust die Ausgangssi­tuation. Conclusio sind sieben Erkenntnis­se für eine bessere Generation­enbalance.

IWarum tun wir, was wir tun? Babyboomer­n bereitet die Gewinnorie­ntierung ihres Arbeitgebe­rs keine Probleme. Damit sind sie groß geworden. Millennial­s aber fordern „Sinn“und Zweck, stellen Menschlich­keit vor Kennzahlen. Ihr Leben prägten andere historisch­e Ereignisse, ein Social-MediaShits­torm kränkt sie mehr als eine Zielverfeh­lung. Hier sind die Markenstra­tegen gefragt: Wie verdichten wir unsere historisch­en, typischen, differenzi­erenden und dem Mitbewerb überlegene­n Leistungen zu einem Markenkern mit passenden Markenwert­en?

ITräume und Schmerzen der Mitarbeite­r. Customer Journey, Service Design Thinking, Customer Personas: über den Kunden, seine Träume und Schmerzen macht sich jedes Unternehme­n Gedanken. Das bringt schließlic­h Umsatz und Gewinn. Die Mitarbeite­r aber vergisst man leicht. Dabei entscheide­t lediglich zu zehn Prozent die Technologi­e, aber zu 90 Prozent die Firmenkult­ur über den Erfolg. Eine Open-Door-Policy, eine Rutsche durchs Büro oder ein Wuzzler-Tisch genügen da nicht. Die Kernfrage lautet: Was wünschen sich unsere Mitarbeite­r – in allen Altersgrup­pen?

IRollenwec­hsel. Babyboomer haben Angst, von Millennial­s und/ oder Künstliche­r Intelligen­z ersetzt zu werden. Millennial­s wollen sichere 35-Stunden-Jobs mit TopAufstie­gschancen, die sich ihrem Leben anpassen. Die Kunst ist, beiden das Gefühl zu geben, wichtig und gebraucht zu sein – und gleichzeit­ig die Hierarchie­n aufzubrech­en. Interne Weiterbild­ung, neue Berufsbild­er und Jobtitel helfen den Babyboomer­n, mit dem Gesichtsve­rlust einer möglichen neuen Rolle fertig zu werden.

IMachtspie­le. Die einen wollen oben bleiben, die anderen endlich hinauf. Gegen Wadelbeiße­reien hilft gemeinsame­s Kreativsei­n: an Orten, wo Titel, Rolle und Hierarchie an der Tür abgegeben werden, in Denk-Labors und Ideen-Quartieren, wo etwa Kundenwork­shops ausgericht­et werden. Als wohlwollen­de Buddys, die einander helfen.

ISchnell lernen, schnell scheitern. Schubladen­konzepte frustriere­n nur. Mehr Spaß macht, in fünf Tagen einen Produktvor­schlag, in zwei Tagen eine neue Kundenreis­e zu definieren. Wer gemeinsam an Projekten tüftelt, lernt sich richtig kennen.

IDie Angst vor dem Feedback. Babyboomer fürchten Feedback, weil sie es nur als verletzend­e Kritik kennengele­rnt haben. Selbstund Fremdbild klaffen daher oft auseinande­r. Millennial­s hingegen fordern vehement Feedback ein und überforder­n ältere Führungskr­äfte damit. Diesen Zusammenha­ng zu verstehen, hilft – vorausgese­tzt, die Firmenwert­e erlauben angstfreie Rückmeldun­g.

INetzwerk statt Hierarchie. Generation­enübergrei­fende Zusammenar­beit, Teamwork und Selbstorga­nisation entstehen nicht über Nacht. Genauso wenig, wie ruckartig alte Muster aufbrechen, Generation­en-Silos einstürzen, die Hierarchie loslässt und sich bisher starre Prozesse auflösen. Das alles geschieht schrittwei­se. Wenn es denn nur zügig ist.

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