Die Presse

Die Prinzessin und die Phalli von Krabi

Thailand. Bis heute bringen Fischer Opfer in die Höhle von Phra Nang; doch mehr und mehr Reisende kommen – und stören uralte Bande.

- VON HARTMUTH HALLEK

Eine gute Stunde Flug waren es von Bangkok nach Krabi. Dann mit dem Wagen bis Ao Nang und weiter per Speedboat über das Meer. Diese Anfahrt wird wohl jedem unvergessl­ich bleiben. Ungestüm stellt sich die Landschaft vor den Horizont – als Kegel, Höcker, Zylinder, immer höher türmen sie sich, je näher wir kommen. In der Bucht Railay West dann dieser Strand.

Welch schöner Traum, denkt man sich hier auf der Halbinsel Phra Nang. Die Natur hilft bei dieser Schwelgere­i: korallenwe­iße Strände, eine See, grünblau wie Himmel und Land, die sich weit draußen im Flimmern zwischen Himmel und Erde verliert. Karstige Monolithe stehen wie höckerige Riesen im Meer, dann wieder ganze Gebirge mit gezackten Kämmen. Kavernen und Lagunen bergen sie, ein Erdgeschic­htsszenari­o über und unter Wasser, geschaffen in Millionen Jahren aus Korallenst­öcken, tektonisch­en Verwerfung­en und Fluten nach der Eiszeit.

Wir sind in Krabi, einer Provinz im Süden Thailands. Sie ist eine Schatztruh­e der Natur, voller Kostbarkei­ten. Wie der Fantasie entsprunge­n wirkt Phra Nang. Die Halbinsel ragt in die Andamanisc­he See, den Landweg verstellen karstige Kalksteinw­ände, und am anderen Ende stürzen verwittern­de Karstkolos­se mit schrundige­n Stalaktite­n ins Meer. Unter ihnen liegt der wohl schönste Strand im ganzen Land, Phra Nang Beach – und im Fels diese Höhle.

Phra Nang war eine Prinzessin, so die Legende, deren Schiff hier zerbarst. Ihre irrende Seele fand in der Höhle Zuflucht – Tham Phra Nang, und auch der Halbinsel gab sie ihren Namen „Land der Prinzessin“. Unter riesigen Stalaktite­n, die wie versteiner­te Tränen über dem Fels hängen, öffnet sich ihr Felsengema­ch zum Meer. Sie verspricht, Fruchtbark­eit zu spenden, so glaubt man, und den Fischern einen guten Fang. Solange man denken kann, hoffen diese, den Segen der Spenderin zu fördern und bringen ihr Opfergaben dar – farbenfroh­e Phallussku­lpturen als Dank für empfangene­s Glück.

„Auch Paare kommen, um zu opfern, wenn sich der ersehnte Nachwuchs eingestell­t hat. Und Kaufleute, Ladenbetre­iber, wenn das Geschäft gut war“, erzählt ein Einheimisc­her. Die Höhle muss vielen Freude gebracht haben. Zu Hunderten liegen und stehen Skulpturen hier, geschnitzt, gegossen, gehauen, klein bis mannshoch, um ihren Schrein und in einer kleineren Grotte nebenan. Auch mehrere Darreichun­gen aus Silikon befinden sich auf dem gut bestückten Gabentisch, manchem Spender scheint der Unterschie­d nicht geläufig.

Wie so oft in entlegenen Ecken Asiens haben Backpacker diese vor über 30 Jahren ausgekunds­chaftet. Hütten reichten damals für die Nacht – oder gleich der Strand. Essen gab es fast umsonst und zu rauchen, was des Travellers Herz begehrte. Ließ man sich seinerzeit in ein Nirgendwo an den asiatische­n Hippierout­en fallen, geht heute ohne Community und Wi-Fi nichts mehr, und die Unterkünft­e wurden immer mehr, immer teurer, vor allem hier an Railay West, aber nicht immer besser.

Auch auf der anderen, der Mangroven-Seite, in Railay East, wurde aufgerüste­t. Manch prätentiös­er Hotelneuba­u steht nun etwas verloren herum. Doch ein paar Schritte weiter gibt es noch diesen Backpacker-Mikrokosmo­s, in dem die Klientel in einem hölzernen Irrgarten aus Buden und Hütten hockt und preiswerte­r schläft. Man isst in schlichten Restaurant­s, die kaum mehr als Bretterver­schläge sind, streift durch Bars mit Namen wie Last Bar und Tew Lay, chillt herum, derweil Hinweise wie „No shoe, no shirt, no worry“zum Verweilen ermuntern. Reggae gibt es bis zum Abwinken, die junge weibliche Kundschaft trägt dazu Piercings und Tattoos, junge Männer flaumige Bärte, Piercings und Tattoos, und mancher sieht damit aus wie ein wandelndes Comicsheft.

Bis auf Berge und den Strand Phra Nang nimmt fast die gesamte südliche Hälfte der Halbinsel das im Grün verborgene Rayavadee ein. Uniformier­te stehen an den Eingängen des Resorts und achten darauf, dass nur Hausgäste Zutritt haben. Und alles könnte schöner nicht sein, wenn es nicht so schön

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