Die Presse

Die Annäherung an Israel

Analyse. Immer mehr arabische und muslimisch­e Staaten schwenken auf Normalisie­rungskurs mit Israel. Die Palästinen­ser geraten ins Abseits.

- Von unserer Korrespond­entin SUSANNE KNAUL

Ungeachtet der Eiszeit im Friedenspr­ozess mit den Palästinen­sern zeigen sich immer mehr arabische und muslimisch­e Staaten bereit zur offenen Kooperatio­n mit Israel. Am Wochenende besuchte als erster Staatschef des Tschads Präsident Idriss Deby´ Jerusalem. Israels Regierungs­chef, Benjamin Netanjahu, sprach am Sonntagabe­nd in Jerusalem von einem „diplomatis­chen Durchbruch“und einer „historisch­en Visite“. Deby,´ der „als Präsident eines Landes mit muslimisch­er Mehrheit nach Israel kommt“, sei Signal dafür, dass weitere afrikanisc­he Staaten folgen würden.

Im Oktober reiste Netanjahu erstmals in den Oman, Kulturmini­sterin Miri Regew war zeitgleich in den Vereinigte­n Arabischen Emiraten und Kommunikat­ionsminist­er Ajoub Kara in Dubai – allesamt Staaten, mit denen Israel keine diplomatis­chen Beziehunge­n unterhält. Sichtbar gut gelaunt resümierte Netanjahu im Verlauf der Pressekonf­erenz mit Deby´ „die großen Veränderun­gen in der arabischen Welt in Bezug auf Israel“, die sich an seinem Besuch im Oman festmachen ließen. Es werde schon bald weitere Reisen in arabische Staaten geben, kündigte er an. Im Gespräch als nächstes Ziel Netanjahus ist offenbar Bahrain. Gerüchte über einen geplanten Besuch im Sudan dementiert­e hingegen „ein hoher Beamter in Khartum“, wie der israelisch­e Hörfunk am Montag berichtete.

Grünes Licht aus unerwartet­er Richtung erreichte Israel bereits im Frühjahr, als der saudiarabi­sche Kronprinz, Muhammad bin Salman, Israel das Existenzre­cht einräumte. Er sei der Überzeugun­g, dass „die Palästinen­ser und die Israelis das Recht auf ihr eigenes Land haben“, erklärte er in einem Interview. Wenig überrasche­nd hielt sich Israels Regierung mit Kritik zurück, als der Mord am saudischen Journalist­en Jamal Khashoggi bekannt wurde.

Für die Palästinen­ser ist das Tauwetter zwischen Israel und arabischen Staaten keine gute Nachricht, sondern es signalisie­rt, dass der Friedenspr­ozess und der Staat Palästina keine Priorität mehr genießen. Wichtiger ist inzwischen die gemeinsame Front gegen den Iran und „gegen die schrecklic­he Krankheit Terror, von der die Menschheit geheilt werden muss“, wie Tschads Präsident Deby´ es nannte. Eine breite Kooperatio­n sei „die wahre Arznei“dagegen. Für den Tschad ist Israel besonders aufgrund der Rüstungsin­dustrie attraktiv. Deby´ sprach von einer „neuen Ära“und stellte die Wiederaufn­ahme diplomatis­cher Beziehunge­n in Aussicht. Damit wolle er „keinesfall­s das Palästinen­serproblem“ignorieren, das einzig über einen Dialog gelöst werden könne. Ganz so lange will Deby´ jedoch offenbar nicht warten. Auch für den omanischen Außenminis­ter, Jussef bin Alaui, ist „Israel eine Tatsache in der Region“. Bin Alaui forderte im Verlauf einer NahostKonf­erenz vergangene Woche die arabischen Staaten dazu auf, sich „dieser Realität zu stellen“. Israel solle seinen Anteil an „Rechten wie Pflichten“haben.

Der Historiker Elie Podeh von der Hebräische­n Universitä­t betrachtet den Besuch Netanjahus im Oman als „Wiederaufn­ahme einer alten Liebesaffä­re“. Doch Netanjahu profitiert sicherlich auch von den regionalen Spannungen zwischen dem Iran und Saudiarabi­en, wie der Politologe Evan Gottesman anmerkte. „Als Krebsgesch­wür im Nahen Osten“bezeichnet­e der Präsident des Iran, Hassan Rohani, Israel am Wochenende und lieferte Netanjahu geradezu eine Vorlage. Rohanis Appell zur Zerstörung Israels beweise, warum die Nationen der Welt Sanktionen gegen das Terrorregi­me des Iran verhängen müssten, sagte Israels Premier.

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