Die Annäherung an Israel
Analyse. Immer mehr arabische und muslimische Staaten schwenken auf Normalisierungskurs mit Israel. Die Palästinenser geraten ins Abseits.
Ungeachtet der Eiszeit im Friedensprozess mit den Palästinensern zeigen sich immer mehr arabische und muslimische Staaten bereit zur offenen Kooperation mit Israel. Am Wochenende besuchte als erster Staatschef des Tschads Präsident Idriss Deby´ Jerusalem. Israels Regierungschef, Benjamin Netanjahu, sprach am Sonntagabend in Jerusalem von einem „diplomatischen Durchbruch“und einer „historischen Visite“. Deby,´ der „als Präsident eines Landes mit muslimischer Mehrheit nach Israel kommt“, sei Signal dafür, dass weitere afrikanische Staaten folgen würden.
Im Oktober reiste Netanjahu erstmals in den Oman, Kulturministerin Miri Regew war zeitgleich in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Kommunikationsminister Ajoub Kara in Dubai – allesamt Staaten, mit denen Israel keine diplomatischen Beziehungen unterhält. Sichtbar gut gelaunt resümierte Netanjahu im Verlauf der Pressekonferenz mit Deby´ „die großen Veränderungen in der arabischen Welt in Bezug auf Israel“, die sich an seinem Besuch im Oman festmachen ließen. Es werde schon bald weitere Reisen in arabische Staaten geben, kündigte er an. Im Gespräch als nächstes Ziel Netanjahus ist offenbar Bahrain. Gerüchte über einen geplanten Besuch im Sudan dementierte hingegen „ein hoher Beamter in Khartum“, wie der israelische Hörfunk am Montag berichtete.
Grünes Licht aus unerwarteter Richtung erreichte Israel bereits im Frühjahr, als der saudiarabische Kronprinz, Muhammad bin Salman, Israel das Existenzrecht einräumte. Er sei der Überzeugung, dass „die Palästinenser und die Israelis das Recht auf ihr eigenes Land haben“, erklärte er in einem Interview. Wenig überraschend hielt sich Israels Regierung mit Kritik zurück, als der Mord am saudischen Journalisten Jamal Khashoggi bekannt wurde.
Für die Palästinenser ist das Tauwetter zwischen Israel und arabischen Staaten keine gute Nachricht, sondern es signalisiert, dass der Friedensprozess und der Staat Palästina keine Priorität mehr genießen. Wichtiger ist inzwischen die gemeinsame Front gegen den Iran und „gegen die schreckliche Krankheit Terror, von der die Menschheit geheilt werden muss“, wie Tschads Präsident Deby´ es nannte. Eine breite Kooperation sei „die wahre Arznei“dagegen. Für den Tschad ist Israel besonders aufgrund der Rüstungsindustrie attraktiv. Deby´ sprach von einer „neuen Ära“und stellte die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen in Aussicht. Damit wolle er „keinesfalls das Palästinenserproblem“ignorieren, das einzig über einen Dialog gelöst werden könne. Ganz so lange will Deby´ jedoch offenbar nicht warten. Auch für den omanischen Außenminister, Jussef bin Alaui, ist „Israel eine Tatsache in der Region“. Bin Alaui forderte im Verlauf einer NahostKonferenz vergangene Woche die arabischen Staaten dazu auf, sich „dieser Realität zu stellen“. Israel solle seinen Anteil an „Rechten wie Pflichten“haben.
Der Historiker Elie Podeh von der Hebräischen Universität betrachtet den Besuch Netanjahus im Oman als „Wiederaufnahme einer alten Liebesaffäre“. Doch Netanjahu profitiert sicherlich auch von den regionalen Spannungen zwischen dem Iran und Saudiarabien, wie der Politologe Evan Gottesman anmerkte. „Als Krebsgeschwür im Nahen Osten“bezeichnete der Präsident des Iran, Hassan Rohani, Israel am Wochenende und lieferte Netanjahu geradezu eine Vorlage. Rohanis Appell zur Zerstörung Israels beweise, warum die Nationen der Welt Sanktionen gegen das Terrorregime des Iran verhängen müssten, sagte Israels Premier.