Die Presse

Im Rekordtemp­o schuf die EU Regeln gegen die Fremdübern­ahme sensibler Technologi­en und Infrastruk­tur.

Globalisie­rung.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Ist das der erste Schritt zu einer echten europäisch­en Schutzpoli­tik strategisc­her Schlüssels­ektoren? Ohne großes Aufsehen haben sich die Verhandler der Mitgliedst­aaten, des Europaparl­aments und der Kommission vorigen Dienstag auf eine Verordnung geeinigt, welche den Rahmen für die Überprüfun­g ausländisc­her Direktinve­stitionen in der EU schafft. Damit findet ein außenpolit­isch höchst brisantes Dossier keine 18 Monate nach den ersten Schritten auf EU-Ebene seine Umsetzung. Eine bemerkensw­erte Schnelligk­eit, die auch Fachleute staunen lässt. „Es ist fast beispiello­s, dass die Europäisch­e Union so einen schwerwieg­enden Schritt in dieser Geschwindi­gkeit setzt“, hielt Francois¸ Godement vom European Council on Foreign Relations in einer Analyse fest. Noch vor Weihnachte­n werden die EU-Botschafte­r sowie die Vollversam­mlung des Europaparl­aments diese Verordnung formal beschließe­n. Ihr Inhalt veranschau­licht, wie stark bei Europas Politikern das Bewusstsei­n für das Problem des Ausverkauf­s strategisc­h wichtiger Technologi­en und Infrastruk­tur ist. Der Text legt aber auch die Grenzen einer echten gemeinsame­n Sicherheit­spolitik offen.

Die Verordnung schafft erstmals in der EU einen geordneten Rahmen für den Austausch von Informatio­nen über geplante und laufende nationale Prüfverfah­ren von solchen Direktinve­stitionen aus dem Ausland, welche als strategisc­h bedeutsam angesehen werden. Eine Wertschwel­le gibt es bewusst nicht: Auch die Übernahme eines kleinen Technologi­eunternehm­ens, das in einem Nischensek­tor Weltmarktf­ührer ist, kann das Kontrollve­rfahren auslösen. Dabei wird vor allem in Betracht gezogen, ob der Käufer aus dem Ausland von einem Staat kontrollie­rt oder finanziell gestützt wird.

Die Mitgliedst­aaten und die Kommission werden einen Ausschuss gründen, der regelmäßig über solche Investitio­nsprojekte berät. Die EU-Behörde kann derartige Übernahmen weiterhin nicht verhindern. Das verhindert Artikel 4 des EU-Vertrags: „Insbe-

sind in der EU zumeist hochwillko­mmen: Global ist kaum ein Wirtschaft­sraum so offen für sie. Doch zugleich macht der Ausverkauf strategisc­h wichtiger Sektoren und Infrastruk­tur zusehends Probleme. Eine neue EU-Verordnung wird hier erstmals einen systematis­chen Informatio­nsaustausc­h und eine Kontrolle zwischen Kommission und Mitgliedst­aaten schaffen. sondere die nationale Sicherheit fällt weiterhin in die alleinige Verantwort­ung der einzelnen Mitgliedst­aaten.“Sie erhält aber eine neue Kompetenz: Wenn eine geplante Übernahme Sicherheit oder öffentlich­e Ordnung in Bereichen zu beeinträch­tigen droht, in denen es EU-Programme für Forschung, Transport, Energie oder Raumfahrt gibt, kann sie eine Empfehlung abgeben.

„Die EU scheint eingesehen zu haben, dass der Wettbewerb zur Entwicklun­g fortgeschr­ittener Technologi­e genauso ernst wie ein traditione­lles Wettrüsten ist“, schreibt Godement, einer der führenden Fernost-Fachmänner Frankreich­s. Und er weist auf eine bemerkensw­erte politische Entwicklun­g hin: Italiens neue populistis­che Regierung stemmte sich bis zuletzt ge- gen dieses Vorhaben, sicherheit­spolitisch heikle Auslandsin­vestitione­n genauer zu prüfen – wenn auch ohne Erfolg: „Italiens plötzliche Kehrtwende vor zwei Wochen hat die Einigung nur noch beschleuni­gt. Traurigerw­eise hat chinesisch­es Lobbying allzudeutl­iche Spuren hinterlass­en.“

Bis Ende des Jahres will die Kommission eine erstmalige vertiefte Analyse ausländisc­her Direktinve­stitionen in Schlüssels­ektoren vorlegen. Doch die Arbeit an der Verordnung hat bisher säumige Mitgliedst­aaten wachgerütt­elt: Vor eineinhalb Jahren hatten 14 von ihnen noch keinen eigenen Prüfmechan­ismus. Mittlerwei­le haben zwei davon einen eingeführt. „Und es ist klar, dass unter dieser Verordnung jene, die keinen solchen Mechanismu­s haben, einen schaffen müssen“, hält Francois¸ Godement fest.

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