„Auch die Nationalbank muss sparen“
Interview. Die OeNB wird unter Türkis-Blau umgebaut. Die neue Vizepräsidentin, Barbara Kolm, ist Eurokritikerin. Die Notenbank gehöre verschlankt und die Geldpolitik bald gestrafft, sagt sie.
Die Presse: Die Österreicher lieben das Sparbuch und sitzen die Niedrigzinsen einfach aus. Wann steigen die Zinsen wieder? Barbara Kolm: Eine Wende wird kommen müssen. Wann genau, weiß ich nicht. Ökonomisch gesehen wäre früher besser als später.
Geldpolitik ist eigentlich Sache des Gouverneurs. Wollen Sie weiterhin darüber reden? Ich habe mich als Ökonomin dazu immer geäußert und werde mir keinen Maulkorb umschnallen lassen. Wie es unter dem neuen Gouverneur ist, werden wir sehen.
Wie war Ihr Empfang in der Nationalbank? Spannend.
Haben Sie überlegt, den Job abzulehnen? Ja, kurz. Aber ich glaube, Institutionen lassen sich am besten von innen verändern.
Sie sitzen auch bei den ÖBB im Aufsichtsrat. Welche Institution hat Reformen dringender nötig? Beide sind massiv reformbedürftig. In den ÖBB hat schon ein Umdenken eingesetzt. In der Nationalbank werden wir mit dem neuen Direktorium ab Herbst 2019 sicher auch die Möglichkeit haben, Strukturen aufzubrechen. Die Nationalbank ist in Sachen Expertise sehr gut aufgestellt – es gibt hier exzellente Mitarbeiter. Was fehlt, ist die Aufgeschlossenheit für moderne Managementstrukturen.
Die Bankenaufsicht wandert von der Nationalbank zur Finanzmarktaufsicht. Ist das eine gelungene Reform? Es ist kein Geheimnis, dass ich die Aufsicht lieber in der OeNB behalten hätte. Aber der Finanzstandort braucht vor allem Rechtssicherheit, Kontinuität und eine schlanke, effiziente Aufsicht. Mit der Aufsichtsreform geht auf jeden Fall einher, dass beide Institutionen sich neu aufstellen müssen.
Was ist für die Nationalbank zu erwarten? Die Nationalbank ist 200 Jahre alt und braucht eine Erneuerung. Sie muss schlanker werden. Mit dem neuen Direktorium wird das sicher kommen. Viele Mitarbeiter sind sehr kompetent, müssen aber effizienter eingesetzt werden. Auch die Nationalbank muss sparen: bei den variablen und den fixen Kosten. Sie sind eine massive Kritikerin des Eurosystems. Hat sich das jetzt geändert? Nein. Ich habe den Euro stets kritisiert, auch den Aufbau des ESMSystems und die Geldpolitik. Da war ich nicht allein, das haben auch deutsche Bundesbankchefs oft getan. Es ist ja auch offensichtlich, dass die Maastricht-Kriterien nicht ausreichen. Da waren die Franzosen und die Deutschen die Ersten, die ausgeschert sind, und seitdem versucht man, mit Stückwerk das System zu reparieren.
Auch die Rettungspakete und die Nullzinspolitik haben Sie oft kritisiert. Hat es nicht funktioniert? Die Probleme wurden nur verschoben. Die Preisstabilität wurde gehalten, das ist positiv. Aber dass die starken Länder die schwachen ständig mitfinanzieren, darf nicht sein. Das Problem haben wir heute. Das untergräbt das Vertrauen in den Euro.
(53) ist Präsidentin des Hayek-Instituts und Mitglied der Mont P`elerin Society, eines neoliberalen Ökonomenverbands. Kolm propagiert freie Märkte, Deregulierung und niedrige Steuern. Die FPÖ hat sie als Aufsichtsrätin in die ÖBB und als Vizepräsidentin in die Nationalbank entsandt. Kolm hat die EU, den Euro und die Rettungspakete oft massiv kritisiert. Bei den Verhandlungen für Türkis-Blau saß die Tirolerin für die FPÖ am Tisch. Wird Österreich unter dem neuen, FPÖ-nahen Gouverneur, Robert Holzmann, auch in der EZB anders auftreten als bisher? Das hoffe ich sehr. Holzmann hat hohe internationale Kompetenz und weiß: Geldpolitik kann nicht nur aus Gelddrucken bestehen.
Ist Italien das neue Griechenland? Das ist die Frage. Eigentlich ist Italien zu groß, um es unter den Schutzschirm zu holen. Also bleibt nur, dass es die notwendigen Reformen endlich umsetzt.
Ist es dafür nicht schon zu spät? Es ist nie zu spät für Reformen. Aber bisher gab es de facto keine Sanktionen bei Versäumnissen, und das hat den Reformwillen nicht gerade gestärkt. Auch die Griechen wurden nicht dafür bestraft, dass sie sich in den Euro hineingeschummelt haben.
Ihr Idol Friedrich August von Hayek hätte gesagt, dass das Geldmonopol der Staaten Krisen auslöst. Brauchen wir privates Geld als Alternative? Es wird einen Wettbewerb der Währungen geben. Das hat der Aufstieg der Kryptowährungen gezeigt. Auch einige Zentralbanken beschäftigen sich mit Plänen zu einer digitalen Währung. Selbst Währungsfonds-Chefin Christine Lagarde hat gesagt, dass es staatliche Alternativen zu diesen neuen Geldformen braucht. Der Euro wird 20 Jahre alt. Ist er eine Erfolgsgeschichte, wie viele sagen, oder ist er gescheitert? Der Euro ist nicht gescheitert – weil wir Maßnahmen ergriffen haben, um das zu verhindern. Aber das billige Geld hat viele Probleme nur verschoben. Und nicht nur Staaten, sondern auch viele Unternehmen konnten sich so über Probleme drüberschwindeln. Wenn das Geld wieder teurer wird, wird eines von zehn dieser Unternehmen pleitegehen.
Wird es Staatsbankrotte geben? Es wird ein Insolvenzrecht für Staaten brauchen. Was nicht überlebensfähig ist, muss neu aufgestellt werden. Das haben wir bisher verhindert – durch das billige Geld und die Rettungspakete.
Braucht es einen Euro-Finanzminister? Ich bin keine Freundin der Idee. Länder müssen im Wettbewerb stehen und auch mit unterschiedlichen Steuersätzen arbeiten. Sonst werden wir in Europa immer schlechter, nicht besser.
Wo sollen die Steuern in Österreich hin? Meine persönliche Meinung: Die Steuern müssen überall drastisch gesenkt werden. Bei der Einkommensteuer muss massiv vereinfacht werden. Die Regierung weiß genau, dass sie hier ansetzen muss, um den Standort wettbewerbsfähig machen.