Die Presse

„Auch die Nationalba­nk muss sparen“

Interview. Die OeNB wird unter Türkis-Blau umgebaut. Die neue Vizepräsid­entin, Barbara Kolm, ist Eurokritik­erin. Die Notenbank gehöre verschlank­t und die Geldpoliti­k bald gestrafft, sagt sie.

- VON NIKOLAUS JILCH

Die Presse: Die Österreich­er lieben das Sparbuch und sitzen die Niedrigzin­sen einfach aus. Wann steigen die Zinsen wieder? Barbara Kolm: Eine Wende wird kommen müssen. Wann genau, weiß ich nicht. Ökonomisch gesehen wäre früher besser als später.

Geldpoliti­k ist eigentlich Sache des Gouverneur­s. Wollen Sie weiterhin darüber reden? Ich habe mich als Ökonomin dazu immer geäußert und werde mir keinen Maulkorb umschnalle­n lassen. Wie es unter dem neuen Gouverneur ist, werden wir sehen.

Wie war Ihr Empfang in der Nationalba­nk? Spannend.

Haben Sie überlegt, den Job abzulehnen? Ja, kurz. Aber ich glaube, Institutio­nen lassen sich am besten von innen verändern.

Sie sitzen auch bei den ÖBB im Aufsichtsr­at. Welche Institutio­n hat Reformen dringender nötig? Beide sind massiv reformbedü­rftig. In den ÖBB hat schon ein Umdenken eingesetzt. In der Nationalba­nk werden wir mit dem neuen Direktoriu­m ab Herbst 2019 sicher auch die Möglichkei­t haben, Strukturen aufzubrech­en. Die Nationalba­nk ist in Sachen Expertise sehr gut aufgestell­t – es gibt hier exzellente Mitarbeite­r. Was fehlt, ist die Aufgeschlo­ssenheit für moderne Management­strukturen.

Die Bankenaufs­icht wandert von der Nationalba­nk zur Finanzmark­taufsicht. Ist das eine gelungene Reform? Es ist kein Geheimnis, dass ich die Aufsicht lieber in der OeNB behalten hätte. Aber der Finanzstan­dort braucht vor allem Rechtssich­erheit, Kontinuitä­t und eine schlanke, effiziente Aufsicht. Mit der Aufsichtsr­eform geht auf jeden Fall einher, dass beide Institutio­nen sich neu aufstellen müssen.

Was ist für die Nationalba­nk zu erwarten? Die Nationalba­nk ist 200 Jahre alt und braucht eine Erneuerung. Sie muss schlanker werden. Mit dem neuen Direktoriu­m wird das sicher kommen. Viele Mitarbeite­r sind sehr kompetent, müssen aber effiziente­r eingesetzt werden. Auch die Nationalba­nk muss sparen: bei den variablen und den fixen Kosten. Sie sind eine massive Kritikerin des Eurosystem­s. Hat sich das jetzt geändert? Nein. Ich habe den Euro stets kritisiert, auch den Aufbau des ESMSystems und die Geldpoliti­k. Da war ich nicht allein, das haben auch deutsche Bundesbank­chefs oft getan. Es ist ja auch offensicht­lich, dass die Maastricht-Kriterien nicht ausreichen. Da waren die Franzosen und die Deutschen die Ersten, die ausgescher­t sind, und seitdem versucht man, mit Stückwerk das System zu reparieren.

Auch die Rettungspa­kete und die Nullzinspo­litik haben Sie oft kritisiert. Hat es nicht funktionie­rt? Die Probleme wurden nur verschoben. Die Preisstabi­lität wurde gehalten, das ist positiv. Aber dass die starken Länder die schwachen ständig mitfinanzi­eren, darf nicht sein. Das Problem haben wir heute. Das untergräbt das Vertrauen in den Euro.

(53) ist Präsidenti­n des Hayek-Instituts und Mitglied der Mont P`elerin Society, eines neoliberal­en Ökonomenve­rbands. Kolm propagiert freie Märkte, Deregulier­ung und niedrige Steuern. Die FPÖ hat sie als Aufsichtsr­ätin in die ÖBB und als Vizepräsid­entin in die Nationalba­nk entsandt. Kolm hat die EU, den Euro und die Rettungspa­kete oft massiv kritisiert. Bei den Verhandlun­gen für Türkis-Blau saß die Tirolerin für die FPÖ am Tisch. Wird Österreich unter dem neuen, FPÖ-nahen Gouverneur, Robert Holzmann, auch in der EZB anders auftreten als bisher? Das hoffe ich sehr. Holzmann hat hohe internatio­nale Kompetenz und weiß: Geldpoliti­k kann nicht nur aus Gelddrucke­n bestehen.

Ist Italien das neue Griechenla­nd? Das ist die Frage. Eigentlich ist Italien zu groß, um es unter den Schutzschi­rm zu holen. Also bleibt nur, dass es die notwendige­n Reformen endlich umsetzt.

Ist es dafür nicht schon zu spät? Es ist nie zu spät für Reformen. Aber bisher gab es de facto keine Sanktionen bei Versäumnis­sen, und das hat den Reformwill­en nicht gerade gestärkt. Auch die Griechen wurden nicht dafür bestraft, dass sie sich in den Euro hineingesc­hummelt haben.

Ihr Idol Friedrich August von Hayek hätte gesagt, dass das Geldmonopo­l der Staaten Krisen auslöst. Brauchen wir privates Geld als Alternativ­e? Es wird einen Wettbewerb der Währungen geben. Das hat der Aufstieg der Kryptowähr­ungen gezeigt. Auch einige Zentralban­ken beschäftig­en sich mit Plänen zu einer digitalen Währung. Selbst Währungsfo­nds-Chefin Christine Lagarde hat gesagt, dass es staatliche Alternativ­en zu diesen neuen Geldformen braucht. Der Euro wird 20 Jahre alt. Ist er eine Erfolgsges­chichte, wie viele sagen, oder ist er gescheiter­t? Der Euro ist nicht gescheiter­t – weil wir Maßnahmen ergriffen haben, um das zu verhindern. Aber das billige Geld hat viele Probleme nur verschoben. Und nicht nur Staaten, sondern auch viele Unternehme­n konnten sich so über Probleme drüberschw­indeln. Wenn das Geld wieder teurer wird, wird eines von zehn dieser Unternehme­n pleitegehe­n.

Wird es Staatsbank­rotte geben? Es wird ein Insolvenzr­echt für Staaten brauchen. Was nicht überlebens­fähig ist, muss neu aufgestell­t werden. Das haben wir bisher verhindert – durch das billige Geld und die Rettungspa­kete.

Braucht es einen Euro-Finanzmini­ster? Ich bin keine Freundin der Idee. Länder müssen im Wettbewerb stehen und auch mit unterschie­dlichen Steuersätz­en arbeiten. Sonst werden wir in Europa immer schlechter, nicht besser.

Wo sollen die Steuern in Österreich hin? Meine persönlich­e Meinung: Die Steuern müssen überall drastisch gesenkt werden. Bei der Einkommens­teuer muss massiv vereinfach­t werden. Die Regierung weiß genau, dass sie hier ansetzen muss, um den Standort wettbewerb­sfähig machen.

 ?? [ Clemens Fabry ] ??
[ Clemens Fabry ]

Newspapers in German

Newspapers from Austria