Wie ein Mord den Ölpreis beeinflusst
Die Talfahrt des Ölpreises in den vergangenen Wochen sucht ihresgleichen. Eindeutig sind die Gründe nicht. Der zeitliche Zusammenfall mit einem Mord springt jedenfalls ins Auge.
Ein Preisgemetzel, wie es bei Erdöl in den vergangenen Wochen stattfand, bekommt man in dieser Wucht selten zu sehen. Der vergangene Freitag wird überhaupt als schwarzer Freitag in Erinnerung bleiben. Die Sorte Brent fiel an einem Tag um sechs Prozent auf zwischenzeitlich 58,4 US-Dollar je Barrel, die US-Sorte WTI überhaupt um fast acht Prozent auf beinahe 50 Dollar. Seit dem Beginn des Preisverfalls Anfang Oktober sind beide Notierungen um etwa 30 Prozent eingebrochen.
Der Preissturz springt umso mehr ins Auge, als Branchenvertreter und Analysten vor eineinhalb Monaten, als die Notierung für Brent bei 80 Dollar stand, ziemlich unisono einen weiteren Preisanstieg prognostizierten. So OMVChef Rainer Seele mit Hinweis darauf, dass mit den Sanktionen gegen Venezuela und den Iran das Ölgeschäft politisiert sei. Ähnlich die Rohstoffanalysten der Commerzbank, die eine preisliche Erholung erst für 2019 prophezeiten.
Es kam komplett anders. Selbst Experten stehen vor einem Rätsel. Der abermalige Preisrutsch vom Freitag „erschließt sich nicht auf Anhieb“, schreiben die Commerz- bank-Analysten und listen einige Gründe für die Talfahrt auf: Schwächere Konjunkturdaten aus der Eurozone etwa, dazu der feiertagsbedingt „sehr illiquide“Handel in den USA, was Spekulanten dafür genützt haben könnten, „wegen des Überangebots auf fallende Preise zu setzen“. Zuvor schon habe der Anstieg der US-Öllagerbestände auf den Preis gedrückt.
Am meisten Fragen aber wirft die Ölpreispolitik Saudiarabiens auf, der eine wichtige Rolle beim Preisverfall zugeschrieben wird. Faktum ist, dass der neben Russland und den USA weltweit größte Ölförderer seine Produktion An- fang November auf rekordhohe 10,9 Mio. Barrel pro Tag erhöht hat. Als Grund nannte Riad die höhere Nachfrage, die durch die neuen US-Sanktionen gegen den Iran schon im Vorfeld entstanden war. Nun aber soll Saudiarabien bereits 11,2 Mio. Barrel täglich aus der Erde pumpen, wie Bloomberg mit Bezug auf eine mit der Sache vertraute Person gestern berichtete.
Dem allem ist vorausgegangen, dass US-Präsident Donald Trump Riad wiederholt dazu aufgerufen hat, die Förderung auszuweiten, um den Ölpreis zu senken. Am vergangenen Mittwoch dann bedankte sich Trump bei den Saudis. Die Commerzbank-Analysten betonen, dass Trump sich einen Tag zuvor „im Fall des ermordeten systemkritischen Journalisten Khashoggi demonstrativ hinter die saudiarabische Führung und gegen den eigenen Geheimdienst CIA gestellt“hat. Und zwar nochmals einen Tag später, als neue Hinweise auftauchten, der saudische Kronprinz bin Salman könnte in die Ermordung am 2. Oktober in der Türkei verwickelt sein. Gleichzeitig hat Trump sich noch niedrigere Ölpreise gewünscht.
„Von daher bleibt abzuwarten, ob Saudiarabien mit einer Produktionskürzung den US-Präsidenten brüskieren will“, so die Commerzbank. Die von Saudiarabien geführte Opec und ihre neuen Verbündeten (vor allem Russland) werden am 6. Dezember über Förderkürzungen beraten. Und Riad hatte schon zugesagt, den Export im Dezember um 500.000 Barrel pro Tag zu drosseln. Das alles liegt auch im Interesse Russlands, das höhere Ölpreise braucht und mit den Saudis seit 2016 in einer neuen Freundschaft in Sachen Preissteuerung an einem Strang zieht.
Saudiarabien ist in der Zwickmühle. Auf dem G20-Gipfel am Freitag wird bin Salman KremlChef Wladimir Putin treffen.