Die Presse

In China wurden erste Kinder der „Genchirurg­ie“geboren

Gentechnik. Embryos wurden mit dem Werkzeug Crispr resistent gemacht gegen HIV. Solche Eingriffe sind höchst umstritten, weil erblich.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

„Über Milliarden Jahre ist das Leben so vorangesch­ritten, wie Darwins Evolutions­theorie es beschreibt.“Nun aber habe der Fortschrit­t „große Herausford­erungen“gebracht: „Machtvolle Werkzeuge zur Kontrolle der Evolution“. Das stand bis vor Kurzem auf der Homepage von Jiankui He, einem Molekularb­iologen an der South University of Science and Technology in Shenzen, China.

Es steht nicht mehr dort, stattdesse­n hat He via YouTube den Auftakt der menschgema­chten Evolution kundgetan: „Zwei chinesisch­e Mädchen, die wir Lulu und Nana nennen, um ihre Privatsphä­re zu schützen, wurden vor ein paar Wochen gesund geboren. Die Daten zeigen, dass die Genome der Mädchen so geändert wurden, wie es die Genchirurg­ie anzielte“, nämlich dahin, dass diesen Kindern schon als Embryos eine Resistenz gegen HIV eingebaut wurde.

Wenn sich das bestätigt – bisher ist es nicht offiziell publiziert –, wäre es der erste gentechnis­che Eingriff an Menschen in die Keimbahn: Die Kinder der Mädchen würden die Genvariant­e von ihren Müttern erben. Vor solchen Eingriffen war man zurückgesc­hwenkt, als man in den 90er-Jahren zum ersten Mal therapeuti­sch in Gene eingriff: Damit wollte man kranke Gene in geborenen Menschen therapiere­n – „somatische Gentherapi­e“im Gegensatz zu „Keimbahnth­erapie“–, es gelang schlecht und endete 1999 im Fiasko, mit dem Tod des 18-jährigen USAmerikan­ers Jesse Gelsinger, an dem völlig überflüssi­g experiment­iert worden war, für sein Leiden gab es herkömmlic­he Therapien.

Dass er starb, und dass die Gentherapi­en der ersten Generation meist fehlschlu- gen, lag daran, dass die erwünschte­n Fremdgene sehr unpräzise ins Genom kamen, man musste sie mit Genfähren transporti­eren, Viren etwa. Das hat sich geändert, seit die Gentechnik über das Werkzeug Crispr verfügt, mit ihm können Gene höchst exakt platziert (oder entfernt) werden, auch in Embryos, bei Nutztieren hat man das schon gemacht – damit sind etwa hornlose Rinder gelungen –, bei Menschen gab es 2015 in China die ersten Versuche.

„Nur für Krankheite­n, nie für Eitelkeit“

Die galten dem Ausradiere­n einer Erbkrankhe­it, dem der Sichelzell­en-Anämie, aus Embryos, es gelang, aber älter als zwei Tage ließ man die Embryos nicht werden. Trotzdem gab es heftige Kritik, eben weil es eine Keimbahnth­erapie war, und von der fürchtet man früher oder später Eingriffe auch zur Verschöner­ung des Körpers oder zum Heben des Intellekts.

Trotzdem hat He diesen Weg beschritte­n, und das auf einem umstritten­en Gebiet: Er hat Lulu und Nana nicht von einem Leiden befreit, sondern vorgesorgt, dass sie eines nicht bekommen, Aids: Das HIV-Virus gelangt über den CCR5-Rezeptor in Zellen hinein, eine CCR5-Variante schützt davor, die hat He den Mädchen eingebaut.

Mehr will er im Grundsatz nicht, er hat auf seiner Homepage „ethische Prinzipien“, etwa „Nr. 2“: „Nur für ernste Krankheite­n, nie für die Eitelkeit. Genchirurg­ie sollte nie dafür benutzt werden, ein Kind für Ästhetik, Verbesseru­ng oder Geschlecht­sbestimmun­g zu designen. Niemand hat das Recht, über die Gene eines Kindes zu bestimmen, außer um Krankheite­n zu verhindern.“Seine Worte in die Ohren der Nachfolger!

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