Warum Teens ihre Eltern peinlich sind
Jugendliche beginnen mehr und mehr, sich an der eigenen Peer Group zu orientieren und sich dort einen Status aufzubauen.
Forschungsfrage: Wie Jugendliche sich an der eigenen Peer Group zu orientieren beginnen.
Dass die Pubertät keine leichte Zeit ist – weder für die Teenager noch für die Eltern –, weiß jeder von uns, der sich noch daran erinnern kann. Der Aufstand der Teenager ist Teil eines normalen Ablösungsprozesses.
Zuerst treten die äußerlichen Veränderungen ein: Es erfolgt ein Wachstumsschub, die Körperkraft und die Motorik verändern sich, sie sekundären Geschlechtsmerkmale beginnen sich herauszubilden, bei Mädchen meist früher als bei Buben. Auch das Gehirn „ist eine Baustelle“, sagt Ulrike Sirsch, Assistenzprofessorin am Institut für Angewandte Psychologie der Universität Wien.
Sie beschäftigt sich v. a. mit dem Übergang von der Adoleszenz ins Erwachsenenalter. Ist Anna Freud 1958 in psychoanalytischer Tradition noch von einer Sturm-und-Drang-Periode ausgegangen und hat gemeint „Während der Adoleszenz normal zu sein, ist in sich anomal“, so hat sich dieses Bild geändert. Heute geht man nicht mehr davon aus, dass diese Periode biologisch bedingt ist, sondern dass das Jugendalter von Kultur und Gesellschaft beeinflusst wird.
Das sich ändernde Verhältnis zu den Eltern ist auf die sozio-emotionelle Veränderung zurückzuführen. „Es geht letztlich um das Erwachsenwerden, das Sichlösen von den Eltern respektive die Umgestaltung der ElternKind-Beziehung, um die Individuation. Das heißt, der junge Mensch bemüht sich darum, auf Augenhöhe mit den Eltern, den Erwachsenen, zu kommen. Dazu muss er auch die Omnipotenzfiguren, die die Eltern während der Kindheit waren, auf das richtige Maß reduzieren“, erläutert die Psychologin.
Der Teenager beginnt, sich an seiner Peer Group zu orientieren und sich dort einen Status zu erarbeiten. Das geht Hand in Hand mit der Ablösung vom Elternhaus, mit dem Ausprobieren neuer Verhaltensweisen. „Das ist oft auch für die Eltern eine sehr schwierige Zeit, denn Verhaltensmuster, die noch vor ganz kurzer Zeit völlig normal waren, werden auf einmal mehr oder weniger vehement abgelehnt. Auch die Eltern müssen erst lernen, ihre Kinder in die eigene Verantwortung zu entlassen und altersgerecht zu reagieren“, so Sirsch.
Dazu kommt, dass Mütter heute meist bereits um die dreißig sind, wenn sie das erste Kind bekommen. „Das heißt aber, dass die Eltern dann, wenn das Kind in die Pubertät kommt, sich zum Teil bereits mit dem eigenen Älterwerden auseinandersetzen müssen, was die Situation für beide Teile nicht einfacher macht.“Und natürlich spielen auch die ersten Kon- takte mit dem anderen Geschlecht eine Rolle. „Kein Teenager will sich vor einem Mädchen oder einem Buben blamieren, wenn die Mutter ihn oder sie wie ein Kind behandelt.“
Pubertät und Heranwachsen sind Reifephänomene, die in jeder Kultur unterschiedlich behandelt werden. „In manchen Kulturen gibt es gewisse Rituale, durch die das Kind sozusagen direkt zum Erwachsenen wird, es ist das gleiche biologische Phänomen, aber ein anderes Prozedere“, erklärt Sirsch. „Die Evolution hat das schon richtig eingeteilt. Vom Kind zum jungen Erwachsenen, der sich eine Partnerin oder einen Partner sucht, wofür es eben wichtig ist, sich mit Gleichaltrigen zu umgeben, Kontakte in der Peer Group zu knüpfen, sich zu positionieren – und da stören die Eltern nun einmal.“