Stacheldraht weg, Jugendliche auch
Asylquartier. Das von Niederösterreichs FPÖLandesrat Waldhäusl errichtete Quartier für auffällige Jugendliche muss geräumt werden.
Ein Baustellenzaun mit Stacheldraht rund um den Eingangsbereich. Ein Verbot, allein das Heim zu verlassen. Es sind Maßnahmen wie diese, die rund um ein neues Quartier für minderjährige Flüchtlinge im niederösterreichischen Drasenhofen für Aufregung sorgten. Gerechtfertigt wurde die Maßnahme vom zuständigen Landesrat Gottfried Waldhäusl damit, dass in dem Quartier verhaltensauffällige jugendliche Asylwerber („notorische Unruhestifter“, so Waldhäusl) untergebracht wurden. Aber reicht das als Begründung oder wird damit gegen die Rechte der Betroffenen verstoßen?
Die Volksanwaltschaft trat bereits auf den Plan, eine Kommission wird nächste Woche das Quartier begutachten. Dabei werde man prüfen, als was das Lager eigentlich genehmigt wurde und ob die kinderrechtlichen Bestimmungen für solche Quartiere eingehalten werden, erklärt Markus Huber, Jurist in der Volksanwaltschaft. Auch die Frage, welche Freizeitaktivitäten es für die Jugendlichen gebe, werde man unter die Lupe nehmen, sagt der Jurist im Gespräch mit der „Presse“. Zuständig für die Überprüfung ist Volksanwalt Günther Kräuter, angeführt wird die entsandte Kommission von Heinz Mayer, dem früheren Dekan der JusFakultät an der Universität Wien. Mit dem Kommissionsbericht will sich die Volksanwaltschaft dann an die niederösterreichische Landesregierung wenden.
Politisch war das Quartier von Anfang an umstritten. Für Drasenhofens ÖVP-Bürgermeister Reinhard Künzl war es „eine Schande“. „Es wird jeder denken, wenn ich einen Stacheldraht sehe, dann sind das Verbrecher“, erklärte er im ORF-Radio. Es handle sich aber nicht um verurteilte Jugendliche. Der Stacheldraht habe „dort nichts verloren“, sagte auch ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Denn es handle sich eben um kein Gefängnis.
Landesrat Waldhäusl erklärte noch am Freitag, den Stacheldraht nicht abbauen zu lassen. Dieser diene zum Schutz der im Quartier wohnenden Jugendlichen, „damit nicht jeder hier auch eindringen kann“, sagte der FPÖ-Politiker. Und „jeder, der rausmöchte, kann rausgehen, aber in Beglei- tung“, argumentierte der Landesrat. Das sei eine Art Hausordnung, die es in vielen österreichischen Heimen gebe.
Eine Heimordnung könne verlangen, dass man bestimmte Räume im Heim nicht betritt. Aber sie dürfe nicht vorschreiben, dass man gar nicht mehr allein hinaus darf, meint hingegen Verfassungsjurist BerndChristian Funk. „So wie das geschildert wird, halte ich das für eine unzulässige Beschrän- kung der persönlichen Freiheit“, analysiert er. In Österreich gibt es ein eigenes Verfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit. Demnach darf sich abgesehen von Ausnahmefällen jeder frei bewegen. Der Umstand, dass es sich um unbegleitete Minderjährige handle, reiche nicht aus, um sie festzuhalten, sagt Funk.
Zu klären wird bei der Prüfung der Volksanwaltschaft daher auch sein, warum
Einen Lokalaugenschein bereits absolviert hat die Kinder- und Jugendanwaltschaft Niederösterreich. Sie kam am Freitag zu dem Schluss, dass das Asylquartier „aus jugendrechtlicher Sicht im derzeitigen Zustand nicht geeignet“sei. Der Stacheldraht sei jedenfalls mit Jugendrechten nicht vereinbar und unverzüglich zu entfernen. Bis zur Herstellung eines geeigneten Zustands müssten die Jugendlichen verlegt werden.
Die Empfehlungen der Kinder- und Jugendanwaltschaft seien „umgehend umzusetzen“, meinte daraufhin Mikl-Leitner. Die Bezirkshauptfrau von Mistelbach werde die „entsprechenden Maßnahmen sofort einleiten“. Die Überstellung der Jugendlichen werde vorbereitet, erklärte dann Kinderlandesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ).