Die Kontroverse um ein durchsichtiges Abendkleid
Ägypten. Anwälte zeigten Schauspielerin Rania Youssef nach Auftritt bei einer Filmgala an. Ein Proteststurm folgte.
Rania Youssef hat auf der Leinwand einige Rollen gespielt, die die ägyptische Gesellschaft kontrovers diskutiert hat. Im Scheinwerferlicht steht die 45-Jährige seit Jahren, und wie bei vielen anderen Schauspielern landet auch ihr Privatleben regelmäßig in der arabischsprachigen Regenbogenpresse. Bei der Abschlussveranstaltung des Cairo International Film Festival trug Youssef ein schwarzes Kleid, das teilweise durchsichtig war – und ihr fast zum Verhängnis wurde. Weil sie moralische Prinzipien der ägyptischen Gesellschaft verletzt habe, zeigten sie drei Anwälte an – darunter Samir Sabri. Dieser rühmt sich seit Jahren damit, Tausende „Vergehen“gegen ägyptische Moralvorstellungen angezeigt und vor Gericht gebracht zu haben, angefangen von Bauchtänzerinnen bis hin zur Veröffentlichung der erotischen Bestsellerreihe „Fifty Shades of Grey“. Aber selbst die linksliberale Zeitung „Al-Shorouk“schrieb zur Causa Youssef: Sie dürfe zwar anziehen, was sie wolle – nur eben nicht diesen „Badeanzug“.
Nach einer Welle der Empörung zogen die Anwälte ihre Anzeige zwar zurück, erklärten aber in einem offenen Brief, dass „öffentliche Figuren“wie Youssef ihre Rolle als Vorbild ernst nehmen sollten. Denn das Publikum ahme die Künstler nach.
Die breite Debatte um ein Kleid dürfte Abdel Fatah al-Sisi durchaus ungelegen kommen. Nicht nur seit seiner Wiederwahl heuer im Frühling bemüht sich der Präsident um das Bild eines Frauenrechtlers und Reformers. Er holte mehrere Ministerinnen in die Regierung und stärkte den Nationalen Frauenrat, der ein Mitspracherecht bei einschlägigen Gesetzesänderungen erhielt. So hat die Justiz etwa das Erbrecht zugunsten der (Ehe-)Frauen verändert. Tätern drohen nun empfindliche Strafen bei Gewalt gegen Frauen, Genitalverstümmelungen wurden verboten. Aktivisten gehen die Ansätze al-Sisis jedoch nicht weit genug.
Erst vor wenigen Tagen nahmen Hunderte Sportlerinnen an einem öffentlichen Lauf in Kairo teil, „um die Akzeptanz zu erhöhen, dass Frauen im öffentlichen Raum Sport betreiben können“, wie es hieß. Der Protestlauf richtete sich auch gegen häusliche Gewalt. Erst im vergangenen Jahr veröffentlichte die in London niedergelassene Thomson Reuters Foundation eine Studie, wonach Kairo die für Frauen gefährlichste Megastadt weltweit ist.
Unterdessen hat Youssef nach ihrem Auftritt auf sozialen Medien Stellung bezogen: Sie habe mit dieser Wut nicht gerechnet und auch nicht beabsichtigt, Kontroversen zu erzeugen. Dezidiert entschuldigt, wie es die konservativen Wortführer des Landes wollten, hat sich Youssef allerdings nicht. (duö)